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I.5 Zentrale Begrifflichkeiten
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sche Korporationen auch Mitglieder auf , die keinem geschlossen völkischen Weltbild
anhängen. In manchen Verbindungen handelt es sich dabei um Einzelfälle , in ande-
ren
– vorrangig außerhalb des burschenschaftlichen Feldes zu findenden
– möglicher-
weise sogar um eine vorherrschende Linie. In letztgenanntem Fall erschiene mir die
Bezeichnung deutschnational ( statt völkisch ) durchaus als legitim. Eine solche abge-
stufte Bezeichnungspraxis hätte es allerdings erforderlich gemacht , politisch-ideolo-
gische Einstufungen für die einzelnen Verbindungen vorzunehmen , was aus Zeitgrün-
den nicht seriös leistbar war.
Gegenüber der gängigen Bezeichnung ‚national‘ bevorzuge ich den Begriff des
Völkischen aus mehreren Gründen : Er verweist bereits vom Wortstamm her auf die
inhaltliche Zentralkategorie , zeichnet sich ( angesichts der im Nationsbegriff mit-
schwingenden zweiten , republikanischen Bedeutungsebene116 ) durch höhere Eindeu-
tigkeit aus und stellt für die Zeit nach 1945 den stärker analytischen Begriff dar , wurde
er doch , wie zuvor erwähnt , nach 1945 als Eigenbezeichnung zugunsten des ‚Freiheit-
lichen‘ weitgehend entsorgt , während ‚national‘ sowohl in den Korporationen als auch
in den ihnen nahestehenden Parteien bis zum heutigen Tag in euphemistischer Ab-
sicht Verwendung findet ; dies wohlweislich ohne die Vorsilbe ‚deutsch-‘ , wiewohl der
Ausdruck selbstverständlich in diesem Sinne zu verstehen ist. Vom Bedeutungsgehalt
her lassen beide Begriffe sich für den Zeitraum der Zweiten Republik synonym ver-
wenden : mit dem nach dem Krieg vollzogenen Rückzug aller relevanten politischen
Kräfte jenseits der Völkischen vom Deutschnationalismus trat eine inhaltliche De-
ckungsgleichheit ein.
Aufbau
Gestützt auf die in diesem Einleitungskapitel angestellten Erörterungen behandle ich
im Weiteren zunächst die Wiedererrichtung des völkischen Verbindungswesens nach
dem Zweiten Weltkrieg. Kapitel III liefert ein Porträt burschenschaftlicher Ideolo-
gie in ihrer im Österreich der Zweiten Republik vorherrschenden Ausformung. Diese
ideengeschichtlichen und ideologiekritischen Betrachtungen bilden die Grundlage
für die in den beiden darauffolgenden Kapiteln geleistete Auseinandersetzung mit
der politischen Praxis der Burschenschaften in Österreich. Hierbei erörtere ich zum
einen deren Wirken als eigenständige politische Akteure ( Kapitel IV ), zum anderen
ihr Verhältnis zu und ihre Betätigung in politischen Parteien im Allgemeinen und
zur bzw. in der FPÖ im Besonderen ( Kapitel V ). Das abschließende Kapitel VI ist
116 In Abgrenzung gegenüber dieser Ebene ist mit Uwe Puschner darauf hinzuweisen , dass ‚völkisch‘ bereits
um 1900 als eine Begriffsalternative zu ‚national‘ galt , die Rassismus und Antisemitismus als Wesens-
merkmale betonte ( vgl. Puschner 2001 , 27 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619