Seite - 50 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Bild der Seite - 50 -
Text der Seite - 50 -
II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration
50
chende Würdigung finden werde“, jedoch nur teilweise in Erfüllung.24 Expliziten Be-
lobigungen ob ihrer Pionierleistungen25 stand ihre Auflösung und ( im Regelfall ) Ein-
gliederung als ‚Kameradschaften‘ in den NSDStB gegenüber , die bei vielen Betroffenen
auf Unverständnis stieß.26 Das Regime duldete keine Organisierung außerhalb seiner
eigenen Strukturen – nicht einmal im Fall eines Milieus , dessen politische Zuverläs-
sigkeit mannigfach belegt war. Auch die elitäre Selbstwahrnehmung der Verbindun-
gen und darauf gründende Ressentiments innerhalb des Parteiapparats standen einer
Ausnahmeregelung entgegen.
Anzumerken ist dabei freilich , dass katholischen , jüdischen und liberalen Verbin-
dungen auch die Option der organisatorischen Gleichschaltung versagt blieb. Während
sie ersatzlos aufgelöst und enteignet wurden , konnten viele der völkischen Studenten-
bünde in der Kameradschaftsform den bündischen Zusammenhang aufrechterhalten
und den Krieg oder zumindest mehrere Jahre nationalsozialistischer Herrschaft über-
dauern. Bruna Sudetia bestand etwa als Kameradschaft ‚Otto Planetta‘ – benannt nach
dem Mörder Engelbert Dollfuß’ – weiter und konnte verdeckt weiterhin ihre Ge-
bräuche pflegen , einschließlich des Schlagens von Mensuren und der Abhaltung eines
Stiftungsfestes unter „großer Beteiligung“ 1941. Erst der Krieg gegen die Sowjetunion
setzte durch damit verbundene Einrückungsbefehle dem Aktivbetrieb ein Ende.27 Die
durch das Kameradschaftswesen ermöglichte relative Kontinuität war , wie Kaupp für
die Bundesrepublik festhält , „für den Wiederaufbau der burschenschaftlichen Bewe-
gung nach 1945 von erheblicher Bedeutung“.28 Selbst Bünden , welche auf die Umwand-
lung verzichteten oder sich aufgrund formaler Erfordernisse nicht dazu in der Lage
sahen29 , gelang es , im offiziell aufgelösten Zustand informell einen zumindest notdürf-
tigen Betrieb aufrechtzuerhalten. „Um die Veranstaltung zu schützen , ist BBr. Armi-
24 Wladar 1984 , 27.
25 In diesem Zusammenhang häufig zitiert werden die Worte Fritz Knolls , des kommissarischen Rektors
der Universität Wien , vom 22. März 1938 : „Der große Verdienst der deutsch eingestellten studentischen
Korporationen Österreichs besteht darin , dass sie sich in der Zeit des Kampfes restlos in den illegalen
politischen Aufbau eingefügt haben. Jede Körperschaft bildete einen in sich geschlossenen Kampftrup-
penteil.“ ( Rektor Fritz Knoll , zit. n. Lichtenberger-Fenz 2002 , 552 )
26 Zur nationalsozialistischen Politik gegenüber den völkischen Verbindungen und zur ambivalenten Wahr-
nehmung dieser Politik durch jene vgl. exemplarisch Aldania 1994 , 143–150.
27 Vgl. Wladar 1984 , 27. Unter Aktivbetrieb ist die Unterhaltung eines geregelten Verbindungslebens ge-
meint , zu dessen Elementen im Allgemeinen u. a. regelmäßige Fechtstunden ( Pauken ), beschlussfassende
Versammlungen ( Burschenconvente ) und gesellige Veranstaltungen ( Kneipen ) zählen und das von den
studierenden Mitgliedern einer Verbindung ( Füchsen und Burschen , in Abgrenzung zu Alten Herren )
getragen wird.
28 Kaupp 2004 , 13. Vgl. zur Situation der Burschenschaften im ‚Altreich‘ auch Kurth 1997 ( v. a. 128 f. zum
Fort- und teilweise sogar Wiedererstehen von Verbindungen während des Krieges ).
29 Vgl. etwa Aldania 1994 , 146 f. Von Belang waren hierbei insbesondere vorgeschriebene Mindestzahlen an
Mitgliedern , die in vielen Fällen Fusionen nötig machten.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619