Seite - 53 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Bild der Seite - 53 -
Text der Seite - 53 -
II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘
53
fiel als angeschlossene Organisation unter die Auflösungsverfügung des Verbotsge-
setzes. In der individuellen Betroffenheit von Korporierten durch Entnazifizierungs-
maßnahmen wiederum fanden Ausmaß und Qualität ihrer vormaligen Involvierung
in die NS-Strukturen ebenso ihre Abbildung wie der oft sehr frühe Zeitpunkt ihres
Partei eintritts , respektive die Betätigung als ‚Illegale‘ , die bis zur Neuordnung der Ent-
nazifizierungs-Gesetzgebung 1947 verschärft geahndet wurde. Auch die von Gehler auf-
gezeigte besondere Affinität völkischer Korporierter zur SS40 und die deutliche Über-
repräsentanz akademischer Freiberufler unter den registrierten NationalsozialistInnen
erhöhten die Betroffenheit korporierter Kreise.41
Auch in den alliierten Anhaltelagern , die primär für höherrangige Amtsträger des
NS-Regimes eingerichtet worden waren und einen weit überdurchschnittlichen Aka-
demikeranteil unter den Internierten aufwiesen42 , waren die völkischen Verbindungen
stark repräsentiert. Eine Vorstellung davon liefert die Angabe von Alemannia Wien ,
wonach nach Kriegsende fast ein Drittel ihrer Mitglieder „in den alliierten Lagern in
Haft gesetzt oder von den Gerichten eingezogen“ worden seien.43 So fand allein im
Salzburger Camp Marcus W. Orr ( ‚Glasenbach‘ ) eine hinreichende Anzahl Alemannen
zusammen , um im November 1945 dort das vermutlich erste Stiftungsfest einer Bur-
schenschaft in Österreich nach Kriegsende begehen zu können.44 Dass viele Verbin-
dungschroniken die Erfahrung der Lagerhaft zum Thema machen , erscheint vor die-
sem Hintergrund naheliegend.45 Die entsprechenden Einlassungen stellen zudem einen
wichtigen Baustein ( auch ) verbindungsstudentischer Strategien der Täter-Opfer-Um-
kehr dar ( vgl. dazu u. a. Abschnitt II.5.1 ).
Auch mancher Korporierte , der weder in Kriegsgefangenschaft geraten noch in An-
haltelagern oder Gefangenenhäusern unter österreichischer Verwaltung interniert wor-
den war , hatte in den ersten Nachkriegsjahren existenzielle Probleme zu lösen , reichte
doch die Palette an Sanktionen , welche die Entnazifizierungsgesetzgebung vorsah ,
vom Berufsverbot über Volksgerichtsverfahren bis hin zu ökonomischen ‚Sühneleis-
tungen‘. Hinsichtlich der Berufsverbote fand der Umstand , dass diese in hohem Maße
AkademikerInnen
– jenseits des Freiberuflertums etwa auch in Verwaltung , Bildungs-
40 Vgl. Gehler 1997a , 147.
41 Vgl. in puncto SS ebd. ; zu den freien akademischen Berufen vgl. Schuster/Weber 2004 , 32 sowie Stim-
mer 1997 ( Band II ), 613 f. zum hohen Stellenwert selbiger in der Berufsstruktur der völkischen Korporier-
ten ( auch ) der Zwischenkriegszeit. Gleichwohl ist mit Dieter Stiefel ( 1981 , 208 ) und Winfried Garscha
( 2002a , 876 f. ) auch darauf hinzuweisen , dass die Entnazifizierungs-Maschinerie sich gerade in diesen
Berufssparten als besonders zahnlos erwies.
42 Vgl. Dohle/Eigelsberger 2009 , 103.
43 Alemannia 1962 , 22.
44 Vgl. ebd., 2.
45 Vgl. z. B. Dvorak 1996 , 45 ; Oberösterreicher Germanen 1967 , 125 ; Wladar 1984 , 27.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619