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II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration
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wesen und Publizistik – betrafen , gewiss in Korporiertenkreisen entsprechenden Nie-
derschlag. Schödls Angabe , wonach „nach dem Zusammenbruche des Jahres 1945 fast
alle [ sic ] freiheitlich-nationalen Akademiker auf Grund der Ausnahmegesetze rück-
sichtslos aus ihren Positionen und Stellungen im öffentlichen Dienste , aber auch in der
Privatwirtschaft entfernt worden“ seien46 , ist zum einen als Übertreibung , zum ande-
ren aber auch als Beleg für den fraglos hohen Grad der Nazifizierung des völkischen
Verbindungswesens zu qualifizieren. Gärtner liefert für seine Alemannia eine vermut-
lich realistischere Angabe von „( m )ehr als ( der ) Hälfte der Alemannen“, welche nach
Kriegsende ihre beruflichen Stellungen verloren hätten.47 Manchem Korporierten , der
sein Studium noch nicht vor dem oder im Krieg abgeschlossen hatte , war zudem eine
Weiterführung desselben vorübergehend verwehrt , was aus verbindungsstudentischer
Perspektive auch die Möglichkeiten zur Wiederaneignung universitären Raumes ( etwa
über die Beteiligung an Strukturen der studentischen Selbstverwaltung ) und zum ‚Kei-
len‘ , d. h. Anwerben von Mitgliedern , beschränkte. Es darf freilich angenommen wer-
den , dass die in der unmittelbaren Nachkriegszeit ohnehin wenig aussichtsreiche Wie-
dererrichtung der Bünde für das Gros der mit Repressalien konfrontierten Korporierten
vorerst nur nachgeordnete Priorität genoss.48
Dies sollte sich allerdings
– im Gefolge der Ablösung von Antinazismus durch Anti-
kommunismus als politischem Grundkonsens der österreichischen Großparteien wie
auch der Westalliierten49
– bald ändern. Die Entnazifizierung verschwand zusehends
von der politischen Agenda und wurde in mancherlei Hinsicht sogar rückgängig ge-
macht.50 Gleichzeitig stellte der Antikommunismus einen gemeinsamen Nenner zur
Verfügung , der die Eingemeindung der hinsichtlich ihrer strikt ‚antibolschewistischen‘
Gesinnung über jeden Zweifel erhabenen völkischen Korporierten in die österreichi-
sche Nachkriegsgesellschaft wesentlich begünstigte ( vgl. hierzu Kapitel III.7.3 ). Als
weitere Begleiterscheinung des Prioritätenwandels avancierte mancher Burschenschaf-
ter nun zum gefragten Ansprechpartner des US-amerikanischen Counter Intelligence
Corps ( CIC ), darunter der prominente Waffen-SS-Offizier und später von Spanien aus
wieder im nationalsozialistischen Sinne tätige Otto Skorzeny ( Markomannia Wien ).51
46 Suevia 1958 , 104.
47 Alemannia 1962 , 22. Auch Hans Menzel ( Ostmark bzw. spätere Alania Wien ) sprach am Stiftungsfest des
Salzburger Akademikerverbandes am 9. Mai 1953 von einer „Mehrzahl“ der Alten Herren ‚nationaler‘ Ver-
bindungen , die „von ihren Arbeitsplätzen entfernt“ worden seien ( BAK , DB 9 , B. VI.15 [ A ], Abschrift
der Rede , 3 ).
48 Vgl. Suevia 1958 , 101 ; BAK , DB 9 , B. VI.15 [ A ], Brief Max Doblingers an Heinz Amberger vom 14. 9. 1950
( Abschrift ), 2.
49 Vgl. Stiefel 2004 , 56.
50 Vgl. dazu Stiefel 1981 , 300–314.
51 Vgl. zu Skorzeny ( journalistisch ) Simpson 1988 , 297–300.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619