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II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration
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gewesen sei.95 Die Ende der 1960er-Jahre an Fahrt aufnehmenden Veränderungspro-
zesse an den Hochschulen – vgl. hierzu insbesondere Kapitel IV.1.3 – sorgten jedoch
bald erneut für vielerorts auftretende personelle Engpässe.96 Die Nachwuchsrekrutie-
rung sollte für die völkischen Korporationen in Österreich bis heute ein zentrales Pro-
blemfeld bleiben. In den darüber angestellten Ursachenanalysen wird auf vermeintlich
allenthalben anzutreffende ‚Geschichtsfälschung‘ und Diffamierung ‚nationaler‘ Ge-
sinnung überhaupt verwiesen , aber auch Klage über eine zu hedonistisch orientierte ,
‚pflichtvergessene‘ Jugend geführt.97
Vereinsmäßige Rekonstituierung
Die Eröffnung von Zweigstellen des AVÖ konnte schon insofern nur als Provisorium
gelten , als sie den Bünden keine eigenständige Rechtspersönlichkeit verlieh. Dement-
sprechend ging deren Bemühen bereits unmittelbar nach Etablierung der Zweigstel-
len ( in manchen Fällen auch schon davor ) dahin , eine solche unabhängige Vereinswer-
dung , d. h. die behördliche Nichtuntersagung einer angezeigten Vereinserrichtung , zu
erwirken. Nicht zu unterschätzen war dabei die Herausforderung , zur Errichtung der
juristischen Person gegenüber der Vereinspolizei geeignete physische Personen namhaft
machen zu müssen : „unbelastete [ sic ] sind nicht zu finden , die Belasteten und Minder-
belasteten würden sofort den Gegnern zuviel Handhaben [ sic ] zu Gehässigkeiten bie-
ten“.98 Dieselbe Problematik behinderte auch die Rekrutierung von Korporierten für
parteipolitische Funktionen , insbesondere im Falle des VdU , der anders als die Großpar-
teien seine Kader nicht eigenhändig zu geläuterten Demokraten erklären konnte.
Schödl verortet den Schritt der Korporationen zur Vereinswerdung ganz pauschal
„im Jahre 1951“.99 Tatsächlich erfolgte ein Gutteil der Wiederzulassungen – jedenfalls
in Wien
– 1951/52 , häufig in enger zeitlicher Nähe zur jeweiligen Reaktivierung.100 Die
Universität Wien war in den Wiederzulassungsvorgang eng eingebunden : Routine-
mäßig holte die zuständige Sicherheitsdirektion vor Ausstellung des Nichtuntersa-
gungsbescheides eine Stellungnahme des Rektorates ein , ob aus dessen Sicht Einwände
95 Ebd., 99.
96 Vgl. etwa die Feststellung eines „Nachwuchsproblem( s ) unserer waffenstudentischen Gemeinschaften
schlechthin“ in einer Verbindungschronik von 1967 ( Oberösterreicher Germanen 1967 , 131 f. ). Stimmer
verortet die entscheidende Zäsur für die Entwicklung der deutschnationalen Verbindungsstudenten zur
Randgruppe an den Hochschulen im Jahr 1966 ( Interview in der Jungen Freiheit Nr. 8 / 1997 , 7 ).
97 Vgl. Alemannia 1962 , 23–25 u. 27 und Oberösterreicher Germanen 1967 , 131.
98 BAK , DB 9 , B. VI.15 [ A ], Brief Walter Mayers an Heinz Amberger vom 12. 11. 1950 ( Abschrift ), 1.
99 Suevia 1958 , 14.
100 Dies geht u. a. aus den Vereinsakten im Archiv der Universität Wien hervor , die zum Teil die Nichtun-
tersagungsbescheide selbst enthalten ( vgl. beispielhaft AUW , S 259.49 , Bescheid der Sicherheitsdirek-
tion Wien an Vindomina [ spätere Vandalia ] vom 5. 9. 1951 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619