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II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde
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gegen die Legalisierung der jeweiligen Verbindung bestünden. Ein solcher Einwand
ist , soweit er frühere oder spätere Burschenschaften beträfe , in keinem einzigen Fall
aktenkundig.101 Ohnehin stellte die Vereinsform faktisch keineswegs eine notwendige
Bedingung für die Wiederaufnahme korporativer Betätigung dar. In diesem Sinne ist
Balders Anmerkung in seiner Kurzchronik der Wiener Markomannia zu verstehen , wo-
nach diese „den Bundesbetrieb offiziell [ sic ] nicht vor dem 24. 3. 1953“, dem Zeitpunkt
ihrer „behördliche( n ) Genehmigung“, habe aufnehmen können.102 Bereits im März 1952
konnte AVÖ-Zentralvorstandsobmann Wilhelm Beringer ( Gothia Wien ) in einer Zwi-
schenbilanz über die bisherige Verbandstätigkeit feststellen , dass
( e )ntgegen der Meinung vieler Pessimisten ( … ) nicht nur die legale Gründung des Akademiker-
verbandes möglich geworden ( ist ), sondern ( … ) seither mehr als vierzig freiheitliche , akademi-
sche Verbindungen den Betrieb mit behördlicher Genehmigung aufgenommen ( haben ). Die uns
vorgeschwebten idealen Ziele sind damit verwirklicht worden , die alte Tradition lebt wieder !103
Tatsächlich hatte die Geschwindigkeit
– bisweilen auch das schiere Faktum
– der Res-
tauration des völkischen Verbindungswesens viele seiner Angehörigen überrascht. Noch
im September 1950 hatte etwa Max Doblinger „Bedenken ( … ) wegen Zeit und Geld“
geäußert. Der Mittelstand
– und somit auch viele der ‚nationalen‘ Akademiker
– stehe
wirtschaftlich schlecht da , die Studenten seien durch eine „strenge Studienordnung“
und Zwang zur Lohnarbeit „viel mehr in Anspruch genommen“ als einstmals.104 Auch
ein anonymer Korrespondent Doblingers in Wien hatte sich in einem Brief rund einen
Monat später als „sehr skeptisch“ hinsichtlich der Zukunft von Verbindungen tradi-
tioneller Art bekannt und zur Begründung neben zeitlichen , finanziellen und ( vereins-)
rechtlichen Herausforderungen u. a. die „geringe Alkoholfreudigkeit der Jugend“ ange-
führt.105 Günther Berka ( Libertas Wien ) wiederum hatte zur selben Zeit einen „Aufbau
der Burschenschaften in Österreich“ als „für absehbare ( recte unabsehbare ) Zeit ( … )
nicht möglich“ eingestuft. „Höchstens“, so Berka , kämen „Körperschaften in Betracht ,
die – ohne sich B. zu nennen – in irgendeiner Form Anschluß an A. H.-Verbände su-
chen , in steter Gefahr , aufgelöst zu werden“.106
101 Vgl. dazu die sogenannte Senats-Sonderreihe des Universitätsarchivs ( AUW , S 259 ), für Libertas etwa
das Schreiben der Sicherheitsdirektion Wien vom 12. 4. 1951 und die Antwort des Rektors Johannes Gab-
riel vom 17. 4. 1951 ( AUW , S 259.41 ).
102 Balder 2005 , 403.
103 Der freiheitliche Akademiker , Nr. 3 / 1952 [ März ], 14.
104 BAK , DB 9 , B. VI.15 [ A ], Brief Max Doblingers an Heinz Amberger vom 14. 9. 1950 ( Abschrift ), 2.
105 BAK , DB 9 , B. VI.15 [ A ], Brief eines anonymen Wiener Burschenschafters an Doblinger vom 24. 10. 1950
( Abschrift ), 1.
106 BAK , DB 9 , B. VI.15 [ A ], Brief Günther Berkas an nicht näher genannte burschenschaftliche Amtsträ-
ger in der BRD vom 4. 11. 1950 ( Abschrift ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619