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II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration
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Schrittweise ‚Selbstenttarnung‘
Bange Erwartungen wie diese rührten zum Teil von realen Repressionserfahrungen in
Monarchie und Ständestaat her , als immer wieder Verbindungen wegen Illoyalität zum
Herrscherhaus bzw. von den Behörden als staatsgefährlich erachteter Tätigkeit , mit-
unter aber auch aufgrund ihres Antisemitismus aufgelöst worden waren. V. a. aber lag
den Erwartungen eine realistische ( wenn auch letztlich zu pessimistische ) Einschät-
zung zugrunde , welche Behandlung den ehemaligen Stützen des Nationalsozialismus
in einem auf antinazistischem Grundkonsens gegründeten Gemeinwesen zuteilwer-
den würde. Zusätzlich verstärkt wurde die Unsicherheit im völkischen Lager durch die
Unberechenbarkeit des Zusammenwirkens vier alliierter Verwaltungen und zweier Re-
gierungsparteien. Vor diesem Hintergrund vollzogen die völkischen Korporationen die
ersten Schritte zu ihrer Wiedererrichtung weithin unter Vermeidung allzu expli ziter
Bezugnahmen auf die eigene Tradition. „( W )enigstens vorläufig ( scheinen ) weder die
Bezeichnung Burschenschaft noch unsere ehrwürdigen Farben s. r. g. [ schwarz-rot-
gold , Anm. B. W. ] Aussicht auf Genehmigung zu haben. ( … ) Wir treten als Verbin-
dungen , Studentenverbindungen , meist mit anderen Namen ( auf )“, schreibt Amberger
im März 1951 an einen Bundesbruder in der BRD.107 In der Tat entsprach die Namens-
gebung sowohl der AVÖ-Gliederungen als auch der nach und nach entstehenden Ver-
eine diesem Tarnansatz : So wurde etwa aus Cruxia Leoben die Kreuzgesellschaft , aus
Carniola Graz der Deutschkrainerbund , aus Teutonia Wien eine Kneipgesellschaft Danu-
bia. Die Bezeichnung ‚Burschenschaft‘ wurde vermieden , da gerade dieser Korpora-
tionstyp als seit je prononciert politisch und pangermanistisch orientiert galt. Nicht nur
Suevia Innsbruck reichte ihre Satzungen zunächst als ‚Akademische Verbindung‘ ein ,
„weil befürchtet wurde , daß die Bezeichnung Burschenschaft bei der Behörde etwa auf
Schwierigkeiten stoßen könnte“.108 Verwendung fanden auch alternative Bezeichnun-
gen wie ‚Akademische Vereinigung‘ oder ‚Akademischer Bund‘.
Die Tarnvorkehrungen wurden in jenem Maße revidiert , in dem auch die Wahr-
scheinlichkeit repressiver Maßnahmen von staatlicher Seite zurückging. Im ab Okto-
ber 1951 erscheinenden , vom steirischen AVÖ-Landesverband herausgegebenen Frei-
heitlichen Akademiker ( ab Oktober 1952 : Die Aula ) sah man von Beginn an wenig
Anlass , den wahren Charakter der Zweigstellen zu verleugnen. Bereits ab der Null-
nummer werden Zweigstellennachrichten als „Berichte aus den Corporationen“ ver-
lautbart. Bald scheinen in dieser Rubrik auch die alten Namen wieder auf – parallel
zu den nach und nach auch offiziell vorgenommenen Vereinsumbenennungen. ‚Bur-
schenschaft‘ kehrt als Selbstbezeichnung auf breiter Front 1953 wieder. 1954 schließ-
107 BAK , DB 9 , B. VI.15 [ A ], Brief Heinz Ambergers an „Jochen“ vom 10. 3. 1951 ( Abschrift ), 1.
108 Suevia 1958 , 107.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619