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II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration
74 Dem ( öffentlichen ) ‚Farbentragen‘ kam für das Verbindungsstudententum im Kon-
text des Ringens um Öffentlichkeit seit jeher hoher Stellenwert zu , machen doch erst
Mütze und Band in den jeweiligen Verbindungsfarben ihre Träger als Repräsentanten
ihrer Bünde bzw. des Korporationswesens im Allgemeinen unmittelbar identifizier-
bar. Erst die Farben machen öffentliche Auftritte von Korporierten überhaupt als sol-
che wahrnehmbar , was sie zur Bedingung des Gelingens dieser Auftritte als Akte der
symbolischen Raumnahme macht. Entsprechend hohe Priorität galt daher nach 1945
der Wiedererlangung des Rechtes zum Auftritt in Mütze und Band ( ‚Aufzugsrecht‘ )
an den Hochschulen als dem ureigenen Terrain der Verbindungen. Sie wurde vom
WKR Anfang des Wintersemesters 1952 ( und damit noch in seinem Gründungsjahr )
als „vordringlichstes Anliegen“ definiert ; gleichzeitig setzte man sich das Ziel , beim
Rektorat die Genehmigung zur „Abhaltung einer Heldengedenkfeier vor dem Ehren-
mal der Wiener Universität“ ( dem in Abschnitt II.5 noch öfter erwähnten ‚Siegfrieds-
kopf‘ ) zu erwirken.148
Erreichen sollten die völkischen Korporierten ihre ( sichtbare ) Rückkehr in den uni-
versitären Raum im Windschatten des katholischen Österreichischen Cartellverbandes
( ÖCV ). Diesem war es
– unterstützt durch sein Mitglied an der Spitze des Unterrichts-
ministeriums ( Felix Hurdes , ÖVP ) – gelungen , nach emsiger bürokratischer Wühlar-
beit und politischen wie teils auch physischen Scharmützeln mit sozialistischen Studie-
renden ab Anfang 1950 das Tragen studentischer ‚Couleur‘ auf universitärem Gelände
zu re-etablieren.149 Im Wintersemester 1952 trug auch das intensive Antichambrieren
der völkischen Verbindungen bei den akademischen Behörden der Universität Wien
Früchte in Form der Zuerkennung eines Aufzugsrechtes zu bestimmten An lässen an
zunächst einzelne Verbindungen.150 Die angestrebte ‚Heldengedenkfeier‘ in der Uni-
versitätsaula konnte am 13. Dezember 1952 stattfinden und ließ sich mit kolportierten
rund 400 Teilnehmern als „ein Markstein in der Wiedererstarkung der alten Tradi-
tionsbünde“ verbuchen – nicht zuletzt auch dank des „in vollem Ornate erschienenen
Rektors“ Emmerich Czermak.151 Am 20. März 1954 gewährte der Akademische Senat
schließlich „den Couleurstudenten aller Richtungen das Farbentragen auf Hochschul-
boden“, auch in Vorlesungen und somit im studentischen Alltag.152
Markierungen wurden ebenso abseits universitären Geländes gesetzt. In Innsbruck
veranstalteten Suevia und die Sängerschaft Skalden am 9. Februar 1952 den ersten Nach-
kriegs-‚Farbenbummel‘ auf der Maria-Theresien-Straße153 , in Graz sah der lokale Aka-
148 Aula Nr. 6 / 1953 [ März ], 20.
149 Vgl. Forster 1984 , 135–159 und Huber 2009 , 228 f.
150 Vgl. Aula Nr. 6 / 1953 [ März ], 20.
151 Vgl. Aldania 1994 , 161.
152 Forster 1984 , 159 bzw. vgl. Oberösterreicher Germanen 1967 , 132.
153 Vgl. Suevia 1958 , 110.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619