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II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit
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Als Plattformen zur Realisierung dieser Solidarität unter konservativen Bildungs-
eliten , die sich in einen umfassenden Restaurationsprozess an den österreichischen Uni-
versitäten eingebettet sah165 , dienten nicht zuletzt die erwähnten gesellschaftlichen Ver-
anstaltungen des völkischen Verbindungswesens. Insbesondere Rektoren als höchste
Repräsentanten der primären Wirkungsstätte der Korporationen waren gern gesehene
Gäste , wobei auch andere konservative Honoratioren schon früh wenig Berührungs-
ängste zeigten. So konnte der AVÖ auf seinem ersten großen Kommers in Graz 1951
die lokalen Magnifizenzen Karl Eder ( Universität ) und Egon Niedermayer ( Techni-
sche Hochschule ) ebenso begrüßen wie den ÖCVer und späteren Bundeskanzler Al-
fons Gorbach , damals Dritter Nationalratspräsident und Obmann der steirischen ÖVP ;
Gorbach erschien in Vertretung von Landeshauptmann Josef Krainer , der seinerseits den
Anwesenden „die besten Wünsche“ übermitteln ließ.166 Die beiden Rektoren schritten
auch zum Rednerpult , um , wie Der freiheitliche Akademiker protokollierte , „ihrer Freude
darüber Ausdruck zu verleihen , daß sich die nationale Studentenschaft in Graz wie-
der etabliert habe“.167 1953 beteiligten sich die Amtsnachfolger der genannten Rektoren ,
Franz Sauer und Gustav Hüttig , an einer ‚Grenzlandfahrt‘ des steirischen und Kärntner
Akademikerverbandes nach Mureck , an der ferner der VdU-Landesrat Anton Stephan
( Corps Teutonia Graz ) und der ÖVP-Landtagsabgeordnete Franz Allitsch teilnahmen.
Der Aula ist zu entnehmen , dass der Ausflug „in jedem Einzelnen das beglückende Ge-
fühl wiedererstandener völkischer Einigkeit erweckt( )“ habe , wie auch „die aus ehr-
lichen Herzen kommenden Glückwünsche beider Magnifizenzen“ gezeigt hätten.168
Beim ‚Antritts-Kommers‘ der völkischen Korporationen Innsbrucks 1952 wiede-
rum richteten sowohl der damalige Innsbrucker Rektor ( und VdU-Bundespräsident-
schaftskandidat 1951 ) Burghard Breitner als auch Bürgermeister Franz Greiter ( ÖVP )
das Wort an die Anwesenden , wobei Letzterer Schödl zufolge „die enge Verbunden-
heit Innsbrucks mit seinen Studenten zum Ausdruck ( brachte )“.169 Zehn Jahre später
empfing der nunmehrige Rektor der Innsbrucker Universität , Engelbert Gutwenger ,
anlässlich des Stiftungsfestes der örtlichen Burschenschaft Germania drei Vertreter
derselben. Er sei nach der Schändung des Innsbrucker jüdischen Friedhofs ( durch ei-
nen Brixen und einen ehemaligen Sueven im Herbst 1961 ) mehrfach zu Distanzierun-
gen von den Burschenschaften gedrängt worden , habe es aber – so die Paraphrase
seiner Worte in einem internen Rundschreiben der Germanen – abgelehnt , aufgrund
165 Zum ‚Rückbruch‘ an der Universität Wien vgl. Grandner/Heiß/Rathkolb 2005 ( zum politischen Kon-
text darin den Beitrag von Rathkolb [ 2005b ]), Huber 2009 , König 2009 und Pfefferle/Pfefferle 2013 ;
zur damit verbundenen ‚autochthonen Provinzialisierung‘ vgl. Fleck 1996.
166 Der freiheitliche Akademiker Nr. 3 / 1951 [ Dezember ], 7 f.
167 Ebd., 8.
168 Aula Nr. 2 / 1953 [ November ], 19.
169 Suevia 1958 , 112 ; vgl. auch Aula Nr. 4 / 1953 [ Jänner ], Akademisches Leben , VIf..
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619