Seite - 94 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 94 bloßer rhetorischer Kniff.230 Die  – unter dem Gesichtspunkt des zuvor geleisteten Be- kenntnisses , die eigenen geistigen Grundlagen hinterfragen zu wollen  – eigentliche Kernfrage stellt Berka dagegen nicht : Ob nicht jenes Denken , das keine größere Ka- tastrophe als die „Zerreißung des deutschen Volksbodens“ kennt , erklärtermaßen das Gros der Burschenschafter geradewegs in die nationalsozialistischen Reihen trieb und viele von ihnen zu Mittätern der NS-Verbrechen werden ließ , zu revidieren wäre. An- statt also gerade die ‚Selbstverständlichkeiten‘ nationaler Weltanschauung zum Gegen- stand kritischer Reflexion zu machen , sollte für Berka auch weiterhin die Herstellung und Sicherung der Herrschaft von Deutschen über ( alle ) Deutsche( n ) den höchsten Zweck burschenschaftlichen Strebens darstellen. Die zunächst rhetorisch eingefor- derte Überprüfung des geistigen Bodens , auf dem man sich bewege , erklärte er für ab- geschlossen , noch ehe sie überhaupt in Angriff genommen war : Streiten wir doch nicht darüber , inwieweit an allen diesen Ereignissen , an den Verirrungen des nationalen Denkens Burschenschafter mitbeteiligt waren. Wir waren Kinder unserer Zeit : das war unser Schicksal  – wenn man will , unsere Schuld. ( … ) Nicht das Aufreißen kaum ver- narbter Wunden , sondern der gemeinsame Aufbau für die Zukunft ist die burschenschaft- liche Aufgabe von heute.231 Diese in Summe doch eher handstreichartige Erledigung der Selbstreflexions-Aufforde- rung bundesdeutscher Burschenschafter durch die Wortführer der Österreicher kam nicht von ungefähr , hatten letztere doch die Vermeidung einer Hinterfragung burschenschaft- licher Grundüberzeugungen durchaus zutreffend als Voraussetzung erkannt , die burschen- schaftliche Idee in ihrer österreichischen Auslegung weiter pflegen zu können ; dies umso mehr , als anhand der Frage des Bildes , das man sich von der Vergangenheit machte , auch programmatische Grundsatzfragen der Gegenwart verhandelt wurden : Ins Zentrum der Geschichtsbild-Diskussion rückte Lönnecker zufolge bald die davon abgeleitete Frage , wie ‚Deutschland‘ als burschenschaftliches Objekt der Anrufung nach 1945 zu definieren sei.232 Robert Zimmermann ( Silesia ) erachtete vor diesem Hintergrund die Entscheidung für oder gegen eine Revision des burschenschaftlichen Geschichtsbildes als ausschlagge- bend nicht nur für „die Einigkeit und de( n ) Bestand der Burschenschaft“, sondern auch für „de( n ) innere( n ) Friede( n ) und die Zukunft unseres deutschen Volkes“ schlechthin.233 230 Ebd. 231 Ebd. 232 Vgl. Lönnecker 2009b , 311 f. ( dort auch Verweise auf weiterführende Literatur zum ‚Geschichtsbild‘- Streit ). 233 BAK , DB 9 , DB 5637 , Zimmermann 1957 , 1. Zimmermann befürwortete durchaus eine Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus , sah dazu aber ausschließlich deutsche „Geschichtsforscher“ berufen , die sich zudem zur Vermeidung von Verfälschungen v. a. auf „Literatur aus der Zeit vor 1933“