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II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung
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den ersten Auftritt der völkischen Verbindungen ‚in Farben‘ auf universitärem Boden
nach dem Zweiten Weltkrieg dar. Der Akademische Senat hatte gleichzeitig mit der
Veranstaltungsbewilligung eine Ausweitung des ‚Farbenrechts‘ ( analog zur für ÖCV-
und liberale Verbindungen zu diesem Zeitpunkt bereits geltenden Regelung ) auf jene
Bünde des WKR beschlossen , die ein ‚Bekenntnis zu Österreich‘ in ihren Statuten führ-
ten. Obwohl der Senatsbeschluss festhielt , dass die WKR-Feier nur „aus dem besonde-
ren Anlaß“ des erstmaligen gemeinsamen Wiederauftretens auf Hochschulboden ge-
nehmigt werde , etablierte sie sich in weiterer Folge als feste jährliche Veranstaltung.238
Die Zugänglichkeit korporationsstudentischer Gedenkreden über das Archiv der
Universität Wien verdankt sich der hier bereits angedeuteten anfänglichen Vorsicht der
akademischen Behörden. Da diese
– jedenfalls in Wien
– tunlichst darauf bedacht wa-
ren , studentische Auseinandersetzungen auf Universitätsgelände hintanzuhalten , musste
für die Abhaltung von Veranstaltungen dortselbst nicht nur um Bewilligung angesucht ,
sondern auch der Text etwaiger Reden ( und teils selbst etwaiger Kranzschleifen ) dem
Rektorat vorab vorgelegt werden. Diese Praxis – die sich auf alle studentischen Verei-
nigungen erstreckte239
– wurde auch nach Abzug der Alliierten beibehalten. Sah Rek-
tor Wilhelm Czermak sich allerdings bei der ersten WKR-Gefallenenehrung 1952 noch
veranlasst , „unbedingt ( zu ) ersuchen , daß mich der Vorsitzende des Korporationsrin-
ges mit dem für die Feier vorgesehenen Redner“ am Vortag „zu einer kurzen Ausspra-
che aufsuchen möge“240 , griff bald ein routinemäßiges Abnicken Platz. Fälle untersag-
ter Gedenkfeiern oder zurückgewiesener Reden sind nicht aktenkundig. Spätestens in
den 1980er-Jahren scheint zudem die erwähnte Vorlagepflicht fallen gelassen worden
zu sein : Es finden sich im Archiv keine weiteren Redemanuskripte.241
Der letzte im Universitätsarchiv vorliegende Antrag zur Abhaltung eines kollekti-
ven WKR-Gedenkens datiert von 1963 , für Einzelbundgedenken reichen die Anträge ,
mit einer auffälligen Lücke zwischen 1972 und 1985 , bis in die 1990er-Jahre ( vgl. dazu
den Schlussteil dieses Abschnitts ). Den Schauplatz bildete in beiden Fällen üblicher-
weise die Aula der Universität. Hier hatten die Wiener völkischen Verbindungen schon
ab Ende des Ersten Weltkrieges alljährlich ihrer Gefallenen gedacht.242 Die Veran-
238 AUW , S 259.67 , Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Akademischen Senats vom 22. 11. 1952 , 2.
239 So wurden etwa auch ÖCV-Verbindungen zur Vorlage ihrer Redemanuskripte aufgefordert – vgl. bei-
spielhaft AUW , S 259.115 , Schreiben von Rektor Erich Schenk an die K.Ö.St.V. Nibelungia vom 28. 1. 1958.
240 AUW , S 259.67 , Schreiben Czermaks an den WKR vom 25. 11. 1952 ( Konzept ); das Dokument trägt zu-
dem einen Vermerk pro domo : „Freitag , 28. 11. 1952 [ der Vortag des Gedenkens , Anm. B. W. ] mit Polizei
sprechen“.
241 Auch enthält das Genehmigungsschreiben für eine Kranzniederlegung Gothias mit Rede von 1987 nicht
die jedenfalls noch in den 1960er-Jahren übliche Aufforderung zur Übermittlung des vorzutragenden
Textes ( vgl. AUW , S 259.68 , Schreiben von Rektor Wilhelm Holczabek an die Gothen vom 10. 3. 1987 ).
242 Vgl. AUW , S 259.67 , WKR 1958 , 1. Nicht zuletzt zu diesem Zweck war hier 1923 auf Initiative der Deut-
schen Studentenschaft ( DSt ) ein ‚Gefallenendenkmal‘ , der sogenannte ‚Siegfriedskopf‘, errichtet wor-
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619