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II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration
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gabe des WKR-Vorsitzenden aber ohne kausalen Zusammenhang276
– veranstaltete der
WKR ein jährliches Totengedenken zum 8. Mai. Die Wahl dieses Datums bzw. Anlasses
belegt die Kontinuität ( wenn nicht gar ideologische Verschärfung ) in der Betrachtung
des Nationalsozialismus von völkisch-verbindungsstudentischer Seite : Der Tag der Be-
endigung des deutschen Aggressionskrieges wird hier nach wie vor als ‚Tag der totalen
Niederlage‘, das symbolische Enddatum des nationalsozialistischen Terrors nach innen
und des Leidens der in Lagern und Gefängnissen Internierten als ein Tag der Trauer
begangen. Der Aspekt der Zerschlagung völkischer Träume von deutscher Größe und
‚Einheit‘ prägt aufgrund des Primats des Völkischen im burschenschaft lichen Weltbild
( vgl. Kapitel III.7.1 ) nach wie vor den burschenschaftlichen Blick auf den Ausgang des
Zweiten Weltkrieges – und dementsprechend auch die burschenschaftliche Gedenk-
politik. Dem Aspekt des Gedenkens als geschichtspolitische Intervention wird in Ka-
pitel IV.2.3 näher nachgegangen.
Dass die Gedenkpraxis der Burschenschaften in Österreich auch abseits univer-
sitären Geländes den bislang nachgezeichneten Linien folgte , lässt sich anhand der
in Abschnitt II.5.1 schon erwähnten Festrede Wolfgang Peitlers am 100. Stiftungs-
fest der Wiener Liberten 1960 illustrieren. Der Bundchronik zufolge führte Peitler
aus , dass „die überwältigende Mehrheit“ der eigenen Alten Herren sich „aus Über-
zeugung“ dem Nationalsozialismus zugewandt habe. Bei Peitler gerät diese Einglie-
derung aus Überzeugung – und die Pionierrolle , die Burschenschafter dabei für die
nationalsozialistische Sache leisteten
– jedoch nicht zur Begründung historischer Ver-
antwortlichkeit , sondern zum Ausweis besonderen Idealismus , denn beigetreten seien
die Bundesbrüder der Bewegung „in einer Zeit in der dies nur Nachteile und Gefah-
ren gebracht hat“. Man habe sich vom Nationalsozialismus „die Verwirklichung der
großdeutschen Ideale“ versprochen und sei zudem „durch eine wesensfremde Dikta-
tur“
– den Austrofaschismus
– „bedrückt“ gewesen. Der Hinweis , „daß unser Tun und
Handeln , ob als richtig oder falsch angesehen , stets von echtem Idealismus getragen
worden“ sei , soll es , ungeachtet seines Inhalts und Zwecks , als tugendhaft erschei-
nen lassen.277 Die Frage , ob an den Idealen selbst zu rühren sei , die schnurstracks in
die braunen Bataillone führten , spart Peitler wie schon sein Bundesbruder Berka aus.
Wenn Ideale jedoch als unhinterfragbar gelten und ihre Verfolgung als notwendig eh-
renwert , kann daraus resultierendes Handeln nicht verurteilt , sondern muss vielmehr
gewürdigt werden. In Rechnung zu stellen ist hier , dass Peitlers Rede aufgrund ih-
res Anlasses
– der hundertsten Geburtstagsfeier seines Bundes
– von vornherein , und
stärker noch als herkömmliche Gedenkreden , auf die Stiftung und Bestärkung kol-
276 Elektronische Auskunft von Diether Podgorschek ( Grenzlandsmannschaft Cimbria Wien ) vom
24. 2. 2012.
277 Paraphrasiert in Libertas 1967 , 253 f.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619