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II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung
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fend führte AH Kurt Bahn in seiner schriftlichen Reaktion aus , der Text habe „unter
uns Älteren , der betroffenen Erlebnisgeneration , eine gewisse Unruhe und Unsicher-
heit ausgelöst“.347 Offenbar befürchtete man , sich nun auch noch im Kreise der Bun-
desbrüder , einem bewährten weltanschaulichen Refugium , den Zumutungen der ‚Ver-
gangenheitsbewältigung‘ und kritischer Hinterfragung der eigenen Rolle in Kriegs- und
Vorkriegszeit stellen zu müssen.348
Die Alten Herren reagierten zum einen mit keineswegs hysterischen , wohl aber
emotionalen Rechtfertigungsversuchen – weniger ( direkt ) für den Nationalsozialis-
mus als für die Unterstützung desselben.349 Die Palette der Argumente enthielt Be-
kanntes , von der Täter-Opfer-Umkehr bzw. dem Motiv des Betruges durch Hitler350
über die Anrufung der „höhere( n ) ethische( n ) Werte“, für die die deutschen Solda-
ten im Zweiten Weltkrieg gekämpft hätten351 , bis hin zur Leugnung oder Relativie-
rung historischer Fakten. Für Mayrhofer war jedenfalls auch noch anno 1983 „die Zeit
für ein abschließendes ( … ) Urteil über Hitler ( … ) noch lange nicht gekommen“, zu-
mal die Archive der ehemaligen Feindmächte noch unzugänglich seien.352 Zum an-
deren mahnten sie , wenn auch unterschiedlich explizit , die Berücksichtigung jenes
Prinzips ein , das bislang die ‚Erlebnisgeneration‘ unbehelligt gelassen , die Bundhar-
monie erhalten und ( in abgeschwächter Form ) auch gesamtgesellschaftlich die ‚Ver-
gangenheitsbewältigung‘ hintangehalten hatte : das Prinzip der Achtung der Altvor-
deren
– zumal der Toten unter ihnen
– und eines daraus abgeleiteten Kritikverzichts.
Wenn schon nicht die Würde des Alters der lebenden Veteranen , so sollte doch die
Würde der Gefallenen aus den eigenen Reihen den kritischen Impetus der Jugend
zügeln – diese Auslegung der Idee des ‚Lebensbundes‘ und von bundesbrüderlicher
Treue über den Tod hinaus war unter völkischen Korporationen nach 1945 in Öster-
reich äußerst gängig. Allein schon der Umstand , dass 24 Obergermanen „ihren Einsatz
mit dem Tode bezahlt“ hätten , so AH Mayrhofer in diesem Sinne , „hätte nach mei-
ner Ansicht mehr Ehrfurcht und auch persönliche Rücksichtnahme bei der Behand-
lung dieses wohl für immer schwierigen Abschnittes der deutschen Geschichte erfor-
347 Zit. ebd., 116.
348 Vgl. dazu Tulzer : „Die Ideologie des Dritten Reiches schien als Thema bisher zwar nicht tabu , Mei-
nungsverschiedenheiten darüber wurden aber nicht so ausgetragen , daß darüber etwaige Quellen exis-
tieren.“ ( Ebd., 116 )
349 Vgl. ebd., 119.
350 Vgl. AH Hagmüller , ebd., 119 , AH Sander , ebd., 118 , oder AH Quereder , der es dennoch für angezeigt
hält , Hitler „Ehrfurcht“ entgegenzubringen ( zit. ebd., 120 ).
351 AH Hagmüller , zit. ebd., 118. Quereder verwahrt sich infolge u. a. „im Namen aller anständigen Angehö-
rigen der Waffen-SS ( und das war die weitaus überwiegende Anzahl der Männer )“ gegen Insinuationen
einer Schuldhaftigkeit , welche „diese tapfere und disziplinierte Truppe nicht verdient“ habe ( ebd., 120 ).
352 Zit. ebd., 118. Auch AH Hagmüller meldete nachdrücklich Zweifel an der Richtigkeit vorherrschender
Darstellungen über den Nationalsozialismus an ( vgl. ebd. ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619