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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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genstand interner Diskussionen. Die Hauptkonfliktlinie verlief dabei im 19. Jahrhun-
dert wie auch nach 1945 zwischen einer bildungsorientierten ( ‚arministischen‘ ) und
einer interventionistischen ( ‚germanistischen‘ ) Strömung.18 Während arministische
Verbindungen ihre zentrale Aufgabe in der politischen und sittlichen Erziehung ih-
rer Mitglieder erkennen , pochen germanistische Bünde darüber hinaus auf eine Ver-
pflichtung nicht nur des einzelnen Burschenschafters , sondern auch von Verbindung
und Verband zu politischem Engagement. In einer Variation dieser Debatte wurde
im Rahmen der Deutschen Burschenschaft ( DB ) nach 1945 auch darüber gestritten , ob
eine etwaige Verpflichtung der Mitgliedsbünde zu politischem Aktivismus sich auf
die Hochschulpolitik beschränken oder ein allgemein-politisches Mandat verwirk-
lichen sollte.19 Die Fronten verliefen dabei zumindest zeit- und näherungsweise ent-
lang weltanschaulicher Linien. So identifizierten die Burschenschaftlichen Blätter 1990
die Befürworter der „Aktionsgemeinschaft“ mit den „betont ‚konservativen‘ “ Bur-
schenschaften ( organisiert in der Burschenschaftlichen Gemeinschaft/BG ), ihre bildungs-
orientierten Widersacher dagegen mit den „ ‚liberalen‘ “ Bünden.20 Die Österreicher
standen geschlossen im aktivistischen Lager : Am Burschentag 1977 stimmten alle neun
vertretenen österreichischen Bünde für zwei ( erfolglose ) Anträge , wonach die poli-
tische Aktionsgemeinschaft als für alle Mitgliedsbünde bindendes Verbands prinzip
verankert werden sollte.21
Vor diesem Hintergrund mag überraschen , dass politische Aktionen in vielen ( ge-
rade auch internen ) burschenschaftlichen Schriften nur geringen Raum einnehmen.
Wird die Umsetzung des ‚politischen Auftrages‘ thematisiert , so hauptsächlich unter
Verweis auf Aktivitäten der politischen Bildung , was für ein in der Praxis eher ‚armi-
nistisches‘ Verständnis von Burschenschaft spricht. In ihren Grundsätzen von 1965 be-
kennt die DBÖ sich dazu , „ihre Mitglieder zu objektivem politischem Denken“ zu er-
ziehen und ihnen „das volle Einstehen“ für staatsbürgerliche Rechte und Pflichten sowie
„rege Anteilnahme an allen Belangen des deutschen Volkes“ abzufordern.22 Noch in
den 1990er-Jahren erwähnt eine DBÖ-Werbeschrift lediglich das Bestreben der Bur-
schenschaften , „ihren Mitgliedern ( … ) eine gediegene Allgemeinbildung zukommen
zu lassen“ und sie „zu einem von verantwortlichem und verantwortungsbewussten [ sic ]
18 Vgl. zu den Begriffen Schröder 2005.
19 Vgl. etwa Schmidt 2000 , 9 f.
20 Burschenschaftliche Blätter Nr. 5–6 / 1990 , 75 ( zit. n. Schmidt 2000 , 21 ). Gugerbauer hatte Mitte der 1970er-
Jahre einen solche Zusammenhang verneint ( vgl. Oberösterreicher Germanen 1994 , 61 ).
21 Vgl. BAK , DB 9 , B. VI. Burschentage ( a ), Arbeitsunterlagen zum DB-Burschentag 1977 , 20 sowie die
Niederschrift desselben Burschentages , 14 f. und 46–50. Zur Position der BG vgl. AVSt , Burschenschaft-
liche Gemeinschaft 1976 , 16–19.
22 BAK , DB 9 , E. 4 [ B2 ], Anlage B zum ADC-Rundschreiben Nr. 1 ( Markomannia ) von 1965/66 ( unda-
tiert ), 2.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619