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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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Vor allem aber in puncto der Errichtung und Aufrechterhaltung umfangreicher Ver-
bändestrukturen verhallte Berkas Appell zur Straffung gänzlich ungehört. Lokale Waf-
fenringe (wie der WKR in Wien ) erfassten die völkischen Verbindungen des jeweili-
gen Hochschulortes , Delegierten-Convente ( D. C. ) seine Burschenschaften ; der ADC
bzw. die DBÖ versammelte Letztere auf Bundesebene , wozu sich 1961 die BG und ab
1971 ( zusätzlich ) die DB als deutsch-österreichischer Zusammenschluss und fallweise
Örtliche Burschenschaften ( ÖB ) als Lokalgliederungen der Letzteren gesellten. In Wien
begründeten die Burschenschaften Mitte der 1980er-Jahre zudem die Arbeitsgemein-
schaft Wiener Burschenschaften und Landsmannschaften ( ARGE WBL ) als aktivistische
Plattform jenseits des WKR. Dazu kamen Kartelle sowie auf bilateraler Ebene diverse
Freundschafts- und Verkehrsverhältnisse.54 Allein schon der Erhalt dieser Institutio-
nen , u. a. in Form der Beschickung der regelmäßigen Delegiertentreffen und eines be-
trächtlichen Kommunikationsaufwandes im Sinne funktionierender Informationsflüsse
und der Wahrung verbindungsstudentischer Konventionen , band weit über die Wie-
deraufbauphase nach dem Krieg hinaus umfangreiche burschenschaftliche Energien ,
noch bevor irgendeine im engeren Sinn politische Handlung gesetzt worden wäre.55
Zu schultern hatten diese Last vornehmlich die im Fall der meisten Bünde ohnehin
fortwährend unterbesetzten Aktivitates.
Als letzter innerburschenschaftlicher Grund für eingeschränkte politische Betätigung
in der Zweiten Republik ist das zuvor benannte ‚politisch-programmatische Vakuum‘ an-
zuführen. Mit der Zerschlagung des ‚Dritten Reiches‘ wurden auch zentrale politische
Aspirationen der Burschenschaften in Österreich in Trümmer gelegt und griff Orien-
tierungslosigkeit Platz.56 Man sah sich herausgefordert , unter den Bedingungen der
neuen politischen Realitäten und Gesetzeslage die eigene Agenda zu reformulieren. Wie
schon an anderer Stelle ausgeführt ( vgl. die Kapitel II.3.1 und II.5 ), blieben Innovatio-
nen dabei weitgehend aus , Veränderungen auf taktische Anpassungen beschränkt. Der
offene Antisemitismus wurde teilweise in die unauffälligeren Bahnen eines verschäm-
ten ‚Asemitismus‘ umgelenkt57 , der Pangermanismus und das Streben nach deutscher
Kontinentalhegemonie als Bekenntnis zur europäischen Einigung neu gerahmt ( vgl. Ab-
54 Dabei handelt es sich um über bi- bzw. im Fall der Kartelle multilatere Abkommen besiegelte , besondere
Naheverhältnisse zwischen Bünden an verschiedenen Hochschulorten , die sich u. a. in wechselseitigen
Besuchen ( etwa anlässlich von Stiftungsfesten ) oder inhaltlicher Abstimmung vor Dachverbandssitzun-
gen äußern können. Auch können sie für die Verbindungsmitglieder mit der Verpflichtung einhergehen ,
im Fall eines Studienortswechsels beim jeweiligen lokalen Kartell- , Freundschafts- oder Verkehrsbund
zu ‚verkehren‘.
55 Vgl. zur Vielzahl an terminlichen Verpflichtungen etwa Aldania 1984 , 30.
56 „Wir haben hier kein rechtes fixes Programm ; das wirkt lähmend“, schrieb Max Doblinger ( Frankonia
Graz ) am 14. 9. 1950 an den BBl.-Schriftleiter Heinz Amberger ( Abschrift des Briefes in BAK , DB 9 , B.
VI.15 [ A ]).
57 Vgl. Weidinger 2012.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619