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III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen
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schnitt III.5.2 ). Die alte Leitidee der staatlichen Einigung aller als ‚deutsch‘ angesehenen
Lande wurde gesetzeskonform in die Aufgabe übersetzt , „den Gedanken an die deut-
sche Einheit wach zu halten“58 und den ‚deutschen Charakter‘ Österreichs zu bewahren.
Die Diagnosen der unmittelbaren Nachkriegszeit behielten so noch länger Gültig-
keit : „Oberstes Ziel der Burschenschaft sei , das für das Vaterland Vorteilhafteste zu
erreichen ( … ). Gegenüber diesem Oberziel seien wir zur Zeit hilflos , weil wir kein
Programm haben“, vermerkt der Bericht über eine Arbeitstagung der Innsbrucker Ger-
manen vom November 1967.59 Andreas Mölzer konstatierte noch 1980 Inhaltslosigkeit
als Hauptproblem des völkischen Verbindungswesens in Österreich. Da der „Wieder-
aufbau der Organisation“ nach dem Krieg von „Männer( n ) aus dem geistigen Biotop
der Zwanziger- und Dreißigerjahre“ besorgt worden sei , hätten entsprechende Vor-
stellungen wohl die Wiederaufbauphase dominiert , während man sich angesichts der
neuen Verhältnisse „( n )ach außen ( … ) duldsam und liberal“ habe geben müssen.60 So
habe man „nach und nach ( … ) die geistigen Inhalte des Korporationsstudententums
auf zwar schöne , jedoch überall bei anständigen Menschen auffindbaren [ sic ] Werte ,
wie Freundschaft , Ehrlichkeit und Disziplin reduziert( )“. Diese hätten ob ihrer Ober-
flächlichkeit und Inhaltsleere für die Verbindungsmitglieder nicht langfristig sinnstif-
tend wirken können , sondern viele von ihnen „mit zunehmender Distanz nach dem
Ende des jugendlichen Höhenflugs“ desillusioniert und apolitisch zurückgelassen.61
‚Radikalismus‘ als Kehrseite der Medaille?
In scharfem Kontrast zur eben behandelten Wahrnehmung der politischen Inaktivität
wurde von Angehörigen des völkischen Verbindungswesens in Österreich seit Ende der
1970er-Jahre verschiedentlich auch das Phänomen eines gleichsam überschießenden ,
fanatischen politischen Engagements ausgemacht , das seinerseits ebenfalls in die po-
litische Bedeutungslosigkeit führe bzw. diese verfestige. So vermerkte Sigurd Scheichl
1978 gegenüber seinen Bundesbrüdern , dass dort , wo Burschenschafter sich überhaupt
noch ihres politischen Auftrages entsönnen , ein „verbale( r ) Radikalismus“ vorherrsche ,
„der einem jede konkrete politische Bemühung erspart“. Teilweise würden „völlig un-
realistisch( e )“ Positionen vertreten.62 Damit übereinstimmend identifizierte Mölzer
1980 neben dem desillusionierten , Politik-abstinenten Korporierten einen zweiten Ty-
pus , der „einer Art von politischem Rechtsradikalismus“ zuneige , „die zwar vom Wol-
len vielleicht durchaus honorig und schön gemeint ist“, letztlich aber „provokant und
58 DÖW , WKR-Folder 1991 , o. S.
59 Germanenmitteilungen , Dezember 1967 , o. S.
60 Mölzer 1980 , 250 f.
61 Ebd., 251.
62 PBW , internes Rundschreiben des Altherrenverbandes der Germania Innsbruck vom 25. 5. 1978 , 7.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619