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III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen
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[ dem Verein , Anm. B. W. ] ferne“, bekundete etwa Laetitia Wien ( die spätere Olympia )
damals in ihren Satzungen.67 Wenn auch die spezifischen politischen Umstände in die-
sen Jahren völkischen Kräften eine solche Zurückhaltung gleichsam auferlegten , scheint
die Restaurationsphase doch auch jenen historischen Moment nach 1945 zu bezeich-
nen , in dem der politische Charakter der Burschenschaften am ehesten grundsätzlich
zur Disposition zu stehen schien. So berichtet Alemannia Wien von einem Richtungs-
streit zwischen den Fürsprechern einer Neuaufstellung als „rein studentische Gemein-
schaft“ und den Proponenten eines „Bund( es ) völkischer Auslese“, was wohl dem Ge-
gensatz von reinem Geselligkeitsverein und politischer Kaderorganisation entspricht.68
Durchsetzen sollte sich die politische Fraktion
– wie auch im in Kapitel II.3.1 erwähnten
Fall der Oberösterreicher Germanen.69 Bemerkenswert erscheint dabei , dass deren Mit-
glied Günter Hauska zufolge die Wiedererrichtung des Bundes „in erster Linie“ dem
Gemeinschaftserlebnis im Lebensbund zu verdanken gewesen sei , das auch weiterhin
die wichtigste Bestandsgarantie liefere. In dieser Darstellung erscheint der Männer-
bund auf Lebenszeit – und nicht die politische Mission – als Garant und damit auch
als Kern burschenschaftlicher Existenz.70 Über die Restaurationsphase hinaus sind ex-
plizite Bekenntnisse zu politischer Enthaltsamkeit in burschenschaftlichen Quellen
gleichwohl nicht zu finden. Allenfalls bleiben politische Ausrichtung und Betätigung
in auffälliger Weise unterbelichtet.71
Erste Politisierungsschübe nach dem Krieg gingen um 1960 von der Südtirolfrage
( vgl. Kapitel IV.3 ) und vom vorläufigen Scheitern des Zusammenschlusses von DB
und DBÖ ( 1961 ) aus. Letzteres ließ das bis dahin vordringlichste konkrete Ziel der
österreichischen Bünde in den Hintergrund treten und gab so Energien frei , die
lange Zeit gebunden gewesen waren. Zusätzlich begünstigt wurde die Bereitschaft ,
sich – wenn auch kaum ideologisch – neu aufzustellen auch durch die behördliche
Aufl ösung der Burschenschaft Olympia Ende 1961 und die heftigen Attacken , denen
die Burschenschaften sich nach mehreren Fällen angeblicher und teilweise tatsäch-
licher Involvierung in rechtsextremistische Umtriebe ausgesetzt sahen.72 Die Auf-
67 AUW , S 259.27 , Satzungen der akademischen Tafelrunde Laetitia ( bestätigte Abschrift vom 29. 10. 1952 ),
1. Ähnliche Bekenntnisse leisteten Hohenheim ( spätere Bruna Sudetia , AUW , S 259.56 ) oder Ostara ( spä-
tere Ostmark , AUW , S 259.43 ) ab.
68 Alemannia 1962 , 26.
69 Vgl. Oberösterreicher Germanen 1967 , 126.
70 Ebd., 167.
71 Vgl. etwa die umfangreiche Chronik Aldanias von 1994 , deren Autor sich in ausufernden Schilderungen
von Feiern , Ausflügen , Anekdotischem und Personalia ergeht , bevor er
– etwas pflichtschuldig
– im Nach-
wort anmerkt , dass „unsere gesellschaftspolitische Arbeit nur gelegentlich gestreift worden“ sei , dennoch
aber „die Basis unseres Handelns“ bilde ( Aldania 1994 , 244 ).
72 Zur Bedeutung sowohl der Zerschlagung der Fusionspläne als auch des medialen , behördlichen und po-
litischen Gegenwindes vgl. den GHA-Bericht von 1962 ( BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Anlage 1/2 zur Nieder-
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619