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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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bruchsstimmung ist an den Tagungsunterlagen zum DBÖ-Tag 1962 deutlich abzule-
sen
– sowohl an den Berichten der Amtsträger als auch an den behandelten Anträgen.
Libertas alleine trat mit sieben Reformvorschlägen hervor. Neben dem Umbau der
DBÖ vom Provisorium zum tragfähigen Verband wurde u. a. die Einführung ei-
nes regelmäßigen burschenschaftlichen Seminars zu „hochschul- und tagespoliti-
sche( n )“ Themen beschlossen.73
Am darauf folgenden DBÖ-Tag 1963 brachten die Oberösterreicher Germanen ei-
nen recht umfassenden Reformantrag ein , der u. a. darauf abzielte , die Burschenschaf-
ter wieder verstärkt für hochschulpolitische Betätigung zu mobilisieren und zu schulen.
Über die Hochschulpolitik sollte eine größere „Breitenwirkung der burschenschaft lichen
Ideen und Ideale“ erreicht werden ; um Raum für sie zu schaffen , seien „reine Verein-
saufgaben , die geradezu reaktionären Charakter tragen“, auf ein gebührendes Maß zu-
rückzustutzen.74 Dass der entsprechende Antrag auch vorsah , die burschenschaftliche
Bildungsarbeit künftig „vorwiegend rein hochschulpolitischen Angelegenheiten“ zu wid-
men75 , rief den Widerstand der Traditionalisten hervor. Diese , repräsentiert durch das
Ostmarkenkartell ( Silesia , Stiria Graz , Suevia Innsbruck ), wollten umgehend per Dring-
lichkeitsantrag festgehalten wissen , dass die DBÖ im „Südtirolproblem“ den „wich-
tigsten Punkt ihrer burschenschaftlichen Arbeit“ erblicke.76 Offenbar befürchteten die
Ostmarken eine Zurückdrängung nicht nur der ‚reinen Vereinsaufgaben‘ , sondern auch
klassischer völkischer Anliegen. Ebenso erging es Teutonia , welche „das Hauptgewicht
der Burschenschaftlichen Arbeit auf die Grenzlandarbeit“ gelegt sehen wollte.77 Ten-
denziell aufseiten der Oberösterreicher befand sich in dieser Frage dagegen die Aktivitas
der Innsbrucker Germanen , die jedenfalls bundintern mit Nachdruck den Ausbau der
politischen und generell der geistigen Betätigung bei gleichzeitiger Reduzierung aller
sonstigen Verpflichtungen einforderte.78 Die Obergermanen aber sollten es sein , die sich
in weiterer Folge zu Wortführern jener Burschenschafter aufschwangen , die insbeson-
dere in einem „übermäßig belebte( n ) Fechtbetrieb“ ein Hindernis für „rege ideelle Be-
tätigung“ und effektive politische Arbeit auf Hochschulebene erkannten. Insbesondere
schrift des DBÖ-Tages , 1 ). Dem zufolge hätten beide Umstände „auf das gesamte burschenschaftliche
Leben in Österreich weitgehende Rückwirkungen“ gehabt.
73 BAK , DB 9 , E. 4 [ B2 ], DBÖ-Rundschreiben Nr. 2 ( Germania Graz ) vom 6. 11. 1962 , 1.
74 BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Arbeitsunterlagen zum DBÖ-Tag 1963 , 4. Auch Wrabetz jun. propagierte auf die-
sem Burschentag die Hochschulpolitik als Mittel , um „Studenten , die nicht freiheitlich korporiert sind ,
in unserem Sinne zu beeinflußen [ sic ]“ ( BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Niederschrift des DBÖ-Tages 1963 , 6 ).
75 BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Arbeitsunterlagen zum DBÖ-Tag 1963 , 4.
76 BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Niederschrift des DBÖ-Tages 1963 , 2. Im gefassten Beschluss war schließlich von
„einem der wichtigsten Punkte“ die Rede ( ebd., 10 ), Hochschulpolitik sollte fortan „entsprechende Be-
rücksichtigung“ finden ( ebd., 7 ).
77 Ebd., 6. Vgl. zur ‚Grenzlandarbeit‘ Kapitel IV.1.2.
78 Vgl. die Germanenmitteilungen , Dezember 1963 , 7 und Februar 1964 , 4 f.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619