Seite - 149 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Bild der Seite - 149 -
Text der Seite - 149 -
III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen
149
vorbereitet werden sollte. Das von den Germanen selbst produzierte erste Flugblatt sollte
aber – trotz einstimmigen Beschlusses – auch das letzte bleiben.92 Anfang der 1980er-
Jahre wird der WKR von seinen Mitgliedsbünden per Abkommen auf „politische Unver-
bindlichkeit“ festgelegt , um ( weiteren ) Austritten vorzubeugen.93 Auch die Innsbrucker
Situation unterstreicht , dass der studentische Politisierungstrend um 1970 das burschen-
schaftliche Lager nicht in seiner Gesamtheit erfasste. Die Innsbrucker Verbindungen , so
Sigurd Scheichls Urteil von 1975 , hätten sich „ganz auf das Gesellschaftliche und Korpo-
rative im engeren Sinn zurückgezogen“.94 Drei Jahre später vermerkt Scheichl , die Tä-
tigkeit der Burschenschaften erschöpfe sich „weitgehend in Kneipen und Mensuren“.95
Ein gewisser Gegentrend ist ab Mitte der 1980er-Jahre in Wien zu verzeichnen.
1984 gründen die dortigen Burschenschaften die Wiener Burschenschaft , die als Platt-
form für politische Betätigung außerhalb des nun ( auf Druck der Corps ) offiziell ent-
politisierten WKR dienen soll. 1985 schließen sich ihnen Landsmannschaften an , die
Plattform wird zur ARGE WBL erweitert. Auch stellen Wiener Burschenschafter
1986 unter der Federführung Olympias den inzwischen vollkommen bedeutungs losen
RFS neu auf : klar allgemein-politisch orientiert , ‚neu-rechts‘ inspiriert und eine Iden-
tifizierung mit der ( im selben Jahr vom Burschenschafter Haider übernommenen )
FPÖ nicht mehr scheuend.96 Generell kann die ‚freiheitliche‘ Studierendenorganisa-
tion aufgrund seit jeher enger personeller Verflechtungen als Barometer für das poli-
tische Aktivitätsniveau der Burschenschaften gelten. Zeigte der RFS sich unter der
Ägide der Oberösterreicher Germanen um 1970 hochaktiv , so fällt seine Krise um 1980
mit Klagen über nachlassende Bereitschaft von Korporierten zusammen , sich hoch-
schulpolitisch zu engagieren.97
Um 1990 traten die völkischen Korporationen , im Kielwasser einer aufstrebenden
FPÖ segelnd , verstärkt nach außen. Jedenfalls ortete Wolfgang Kitzmüller ( Arminia
Czernowitz zu Linz ) 1995
– unter Verweis auf die freiheitlichen Wahlerfolge
– , dass „sich
unser Lager verstärkt seine Meinung in der Öffentlichkeit ( … ) zu vertreten getraut und
damit auch selbstbewußter seinen von der Urburschenschaft ausgehenden politischen
Auftrag erfüllt“. Ebenso habe der Kommers von Innsbruck 1994 unterstrichen , „daß das
Couleurstudententum aus der Enge der jeweiligen Buden hinausdrängt“.98 Dem war
92 Vgl. ebd., 83.
93 Oberösterreicher Germanen 1994 , 97.
94 PBW , internes Rundschreiben des Altherrenverbandes der Germania Innsbruck vom 21. 8. 1975 , 2.
95 PBW , internes Rundschreiben des Altherrenverbandes der Germania Innsbruck vom 25. 5. 1978 , 7.
96 Zur Krise des RFS vgl. ebd., 87 , 92 , 94–96 , 98 ; zu seiner Neuausrichtung vgl. H. Stefan 2009 , 128 f. und
Dvorak 1996 , 69 f. Ausführlicher zum Verhältnis von RFS , Burschenschaften und ‚Neuer Rechter‘ vgl.
die Kapitel IV.1.3 und IV.2.7.
97 Vgl. z. B. Aula Nr. 5 / 1985 , 4.
98 Arminenbrief , ( mutmaßlich ) Sommersemester 1995 , 6.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619