Seite - 151 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 151 die Angehörigen der Mitgliedsbünde „zur tätigen Mitarbeit an möglichst maßgeblichen Stellen der studentischen Selbstverwaltung sowie in akademischen und nichtakademi- schen Organisationen im burschenschaftlichen Sinne“.102 Auch in jüngsten burschen- schaftlichen Quellen finden sich Bekenntnisse ähnlichen Inhalts.103 Die konkrete Ausgestaltung des individuellen politischen Engagements betreffend wird , jedenfalls rhetorisch , das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit beschworen. So betonen die zuvor erwähnten DBÖ-Grundsätze die „innere Freiheit des Geistes“ und den Wert vorurteilsfreien und selbstständigen Denkens , das jeder Burschenschafter aus- bilden solle.104 In „allen praktisch-politischen Fragen“, so Sigurd Weyringer ( Arminia Graz , Albia Wien ) 1957 , sei der Einzelne allein seinem Gewissen verpflichtet.105 „Nicht die politische Meinung ist uns vorgeschrieben , sondern das Bemühen , seinen Stand- punkt nach demokratischen Regeln zu vertreten“, hieß es auch noch rund fünfzig Jahre später bei den Grazer Stiren.106 Dennoch wurden der Autonomie des Einzelbur- schenschafters bei der Auslegung seiner politischen Mission Begrenzungen auferlegt  – nicht nur durch Vorgaben wie jene der Anerkennung des ( bürgerlich-)demokratischen Rechtsstaats als „bestmögliche Staatsform“107 , sondern v. a. in Form einer übergeordne- ten Zielsetzung : Das politische Engagement sei als „Dienst am deutschen Volke“ auf- zufassen. Wie und in welchem politischen Lager der Einzelne diesen Dienst ableiste , sei , so Berka , eigenverantwortlich zu entscheiden. Die Verbindungen hätten allerdings sicherzustellen , dass die von ihnen ausgebildeten Männer in ebendiesem Dienst nicht weniger als „den Sinn ihres Lebens“ erblickten.108 Politisierung des Privaten Diesem sinnstiftenden Anspruch entspricht die Vorstellung , dass die Zugehörigkeit zur Burschenschaft das Verhalten des Einzelnen in umfassender Weise zu durchwirken habe ( ein Ideal , das zu Zeiten der Monarchie die völkische Bewegung insgesamt kennzeich- 102 Zit. n. Libertas 1967 , 180. 103 Vgl. etwa http://www.stiria-graz.at/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=14 oder die Burschenschaftlichen Blätter Nr. 3/2009 , 104. 104 BAK , DB 9 , E. 4 [ B2 ], Anlage B zum ADC-Rundschreiben Nr. 1 ( Markomannia ) von 1965/66 ( unda- tiert ), 1. 105 Leserbrief in den Burschenschaftlichen Blättern Nr. 1 / 1957 , 4–10 , hier : 7 ( Herv. entf. ). Notierenswert er- scheint , dass Weyringer diese Feststellung im Rahmen seiner Erörterung des Verhältnisses von Bur- schenschaft und Nationalsozialismus trifft  – also einer Frage , in der die Individualisierung von Verant- wortung aus gesamtburschenschaftlicher Sicht politisch höchst opportun erscheinen musste. 106 http://www.stiria-graz.at/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=14. 107 BAK , DB 9 , E. 4 [ B2 ], Grundsätze der DBÖ , Anlage B zum DBÖ-Rundschreiben Nr. 1 ( Markoman- nia ) von 1965/66 ( undatiert ), 1 f. 108 Leserbrief in den Burschenschaftlichen Blättern Nr. 1 / 1957 , 10 f., hier : 11.