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III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen
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hier formulierten Erwartungen in individuell höchst unterschiedlichem Ausmaß Er-
füllung fanden. Die Bandbreite reichte von Überaffirmation bis Gleichgültigkeit. Für
das erstgenannte Extrem sei beispielhaft Hans Hamscha ( Libertas ) angeführt. Dieser
brachte 1965 in einem Brief an den Autoren der Liberten-Chronik sein Gefühl der Ver-
pflichtung zum Ausdruck , „soweit es mir möglich ist , im völkischen Kampf tätig zu
sein“
– ein Kampf , der „in allen Belangen unseres Lebens“ auszufechten sei. In diesem
Sinne entfaltete Hamscha eine nach eigener Darstellung rege Betriebsamkeit , die or-
ganisierten politischen Aktivismus ebenso einschloss wie das Verfassen von „Entgeg-
nungen an alle Zeitungen“ und die „regelmäßige Aussendung von informativen Mit-
teilungen“. Auch die „Aufmunterung von Menschen , die sich für das deutsche Volk
einsetzen“, verbuchte Hamscha als einen Aspekt seines völkischen Engagements.114
Am anderen Ende des Kontinuums gab , neben der verschiedentlich diagnostizier-
ten politischen Indolenz der Burschenschaften insgesamt , auch fehlendes individuel-
les Engagement engagierteren Mitgliedern fortwährenden Grund zur Klage. Insbe-
sondere über die politische Passivität der ‚Philister‘ ( was im verbindungsstudentischen
Sprachgebrauch sowohl Alter Herr als auch Spießbürger , Lethargiker bedeuten kann )
und/oder ihre Teilnahmslosigkeit im Verbindungsleben wurde häufig Beschwerde ge-
führt.115 Die Erkenntnis , „daß nicht alle Bundesbrüder abgefeimte politisch interes-
sierte Naturen sind“, ereilte so manchen politisch motivierten Burschenschafter schon
bald nach Eintritt in die Verbindung.116 Wohl vor dem Hintergrund solcher Erfahrun-
gen hatte Germania Köln am DB-Burschentag 1977 beantragt , alle Angehörigen von
DB-Mitgliedsbünden zu verpflichten , beim Übergang in den Altherrenstand ihrer lo-
kalen Vereinigung alter Burschenschafter ( VaB ) beizutreten. Begründet wurde dies damit ,
dass Alte Herren , die nicht an ihrem Studienort wohnhaft seien , häufig „die Bindung
zur Burschenschaft“ verlören.117 Während die Initiative der Kölner erfolglos blieb , war
dasselbe Ansinnen in Österreich bereits 1954 umgesetzt worden. Mit drei Enthaltungen
hatten die ADC-Bünde damals beschlossen , ihre Alten Herren „nach Maßgabe ihrer
satzungsmäßigen Möglichkeiten“ zum VaB-Beitritt an ihrem jeweiligen Wohnort „zu
veranlassen“.118 Dem Beschluss zugrunde gelegen war „die prinzipielle Einstellung der
Bünde für eine möglichst intensive Erfassung und Bindung der AH. AH. [ Alten Her-
ren , Anm. B. W. ] innerhalb der VaB“.119
114 Zit. n. Libertas 1967 , 126.
115 Vgl. z. B. Aldania 1994 , 206 ; Libertas 1967 , 61 ; Oberösterreicher Germanen 1994 , 12 , 17 f., 28 f., 80 f. und
123 ; oder die Semesternachrichten der Wiener aB ! Silesia , Sommer 1987 , 8.
116 Gunther Pendl im Brief an seinen Bundesbruder Friedrich Tulzer vom 22. 4. 1989 , zit. n. Oberösterrei-
cher Germanen 1994 , 152.
117 BAK , DB 9 , B. VI., Burschentage ( a ), Arbeitsunterlagen zum DB-Burschentag 1977 , 42.
118 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Protokoll des ADC-Tages 1954 , 12.
119 Ebd., 9.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619