Seite - 156 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Bild der Seite - 156 -
Text der Seite - 156 -
III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
156
stellten , ist zudem eine ausgeprägte Tendenz zu ( simultaner wie auch serieller ) Äm-
terkumulation unübersehbar.125
Ich bezeichne die innerburschenschaftliche Minderheit der Amtsträger ( und insbe-
sondere der synchronen und/oder diachronen Multifunktionäre ) in Anlehnung an Gae-
tano Moscas Begriff der politischen Klasse in weiterer Folge als die politische Klasse unter
Burschenschaftern.126 Es handelt sich dabei um eine burschenschaftliche Funktionselite auf
Verbandsebene , deren Angehörige miteinander ideologisch und habituell weiterreichende
Übereinstimmungen aufwiesen als mit vielen der eigenen Bundesbrüder. In ihren Funk-
tionen fanden sie Möglichkeiten vor , auf die Tätigkeit und ideologische Entwicklung des
Burschenschaftswesens in Österreich in besonderer Weise Einfluss zu nehmen. Die Aus-
sage des Verbindungsbeauftragten der DB zum ADC von 1954 , Walter Reich ( Libertas
Wien ), wonach die Ausrichtung der ersten „wie stets in großen Verbänden ( … ) von den
jeweiligen führenden Köpfen in den maßgeblichen Ausschüssen bestimmt“ werde , lässt
sich fraglos auch auf die österreichische Situation übertragen.127 Als in meinungsbilden-
der Hinsicht bedeutende Funktion ist über die Ausschüsse hinaus die Schriftleitung der
Aula zu erwähnen , stellte Letztere doch den zentralen ( Einweg-)Kommunikationskanal
des völkischen Verbindungswesens nach innen wie nach außen dar. Über die Möglich-
keit inhaltlicher Zensur hinaus konnten sich Schriftleiter durch eigene Autorentätigkeit
zusätzlichen Einfluss verschaffen. So bediente der Corpsier Andreas Mölzer sich einer
ganzen Reihe von Pseudonymen , um seine Omnipräsenz in der Zeitschrift zu kaschie-
ren und seine Positionen auf eine scheinbar breite Basis zu stellen.128
Wesentlich begünstigt wurde die Prägekraft der politischen Klasse durch ihre große
Homogenität in ideologischen Belangen. Diese ist nicht nur Abbild der , verglichen mit
der bundesdeutschen Situation , generell geringeren weltanschaulichen Heterogenität
125 So amtierte etwa der Gothe Peter Gschaider 1963 gleichzeitig als Vorsitzender der DBÖ , als deren Refe-
rent für burschenschaftliche Arbeit und als Sprecher seines Bundes ( vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Nieder-
schrift des DBÖ-Tages 1963 , 12 ). Auch das Prinzip der Gewaltenteilung blieb mitunter auf der Strecke.
Nur einzelne Bünde stießen sich 1960 daran , dass die damaligen Mitglieder des DBÖ-Rechtsausschus-
ses mehrheitlich auch jenem Exekutivorgan ( GHA ) angehörten , dessen Amtsführung Ersteren zu kon-
trollieren hatte ( vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Protokoll des DBÖ-Tages 1960 , 7 ).
126 Diese dürfte sich weitgehend mit jener Minderheit von Alten Herren überschneiden , die Friedhelm Fri-
schenschlager beschreibt : Diese würden das Korporationsleben „ernster nehmen“ als andere und inner-
halb des völkischen Verbindungswesens „den Ton an( geben )“ ( Interview vom 11. 12. 2009 ) – dies nicht
zuletzt , da sie es seien , die „die Organisation aufrechterhalten“. Politisch-ideologisch stuft Frischen-
schlager diese Gruppe als „zumindest extrem konservativ“ ein ( Interview vom 24. 2. 2010 ).
127 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Protokoll des ADC-Tages 1954 , 16. Auch auf der Ebene des deutsch-österrei-
chischen Dachverbandes wurde besonderes Engagement mit besonderem Einfluss belohnt : Die Bur-
schenschaftliche Gemeinschaft ( und mit ihr die Österreicher ) wurde innerhalb der DB nicht zuletzt da-
durch dominant , „daß sich ihre Mitglieder häufig überproportional stark in die inhaltliche Arbeit des
Dachverbands einbrachten“ ( Junge Freiheit Nr. 22/2010 , 6 ).
128 Vgl. Gärtner 1996 , 225.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619