Seite - 158 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 158 der schiere Umfang ihres Werkverzeichnisses oder die Zahl der akkumulierten Äm- ter als der Umstand , dass ihr Wort weit über den eigenen Bund hinaus Gewicht hat. Um diesen Typus analytisch von den Vorgenannten zu isolieren , bezeichne ich ihn daher im Weiteren als Meinungsführer. Er ist dies in dem Sinne , dass er die innerhalb der Burschenschaften Österreichs zu einem bestimmten Zeitpunkt hegemoniale Mei- nung sowohl repräsentiert als auch sie fortzuschreiben imstande ist. Eben in der Re- formulierung und letztlich Konservierung hegemonialer Positionen bestand über den Untersuchungszeitraum auch die bedeutendste Wirkung burschenschaftlicher Mei- nungsführerschaft. Wie schon im Fall der politischen Klasse ist diese Wirkung nicht zufällig. Die weitgehende Identifikation mit hegemonialen Meinungen ist Vorausset- zung für den Erwerb des Meinungsführer-Status. Der Pool , aus dem potenzielle Inhaber desselben sich rekrutieren , ist damit von vornherein auf das Spektrum der konformis- tischen Idealisten beschränkt. Zwar ist solche Elitenreproduktion auf Basis ideologi- scher Konformität der burschenschaftlichen Organisationsgeschichte keineswegs spe- zifisch. Wohl aber verleihen Mechanismen der Reflexionsabwehr ( vgl. v. a. Kapitel II.5 ), der ideologischen Formierung ( III.3 f. ) und ausgeprägter Autoritarismus ( III.8 ) diesen Prozessen im vorliegenden Fall eine besondere Rigidität , was die geringe ideologische und politische Dynamik der Burschenschaften in Österreich nach 1945 verstehen hilft. Der Status des Meinungsführers konnte auf unterschiedliche Weise erworben wer- den. Langjährige Tätigkeit in burschenschaftlichen Funktionen , die Einnahme expo- nierter Positionen des öffentlichen Lebens , herausragende fechterische Fähigkeiten , intellektuelle oder charismatische Qualitäten und dokumentierte Bereitschaft zur of- fensiven Vertretung ‚nationaler‘ Anliegen unter Inkaufnahme persönlicher Nachteile waren einige der möglichen Quellen , aus welchen das Meinungsführerschaft verlei- hende Prestige gewonnen werden konnte. Vier Beispiele seien im Sinne der Illustra- tion nachfolgend angeführt. Günther Berka etwa , den die Chronik seiner Libertas von 1967 als „eine( n ) wahren Praeceptor Libertatis und der Akademiker schlechthin und darüber hinaus auch anderer Volkskreise“ bezeichnet131 , bezog seinen Status vor allem aus einer langjährigen Tätigkeit in der völkischen ‚Schutzarbeit‘ ( u. a. im Deutschen Schulverein Südmark ) sowie aus seinen „Arbeiten auf nationalpolitischem und akade- mischem Gebiet“, die er in hoher Frequenz in den einschlägigen Periodika veröffent- lichte.132 Mit seinen Manifesten und Thesenblättern verlieh er seinem Bund , teilweise aber auch den Burschenschaften in Österreich insgesamt , Orientierung in der kriti- schen Phase nach dem Zusammenbruch großdeutscher Hoffnungen 1945.133 Von sei- 131 Libertas 1967 , 20. 132 Ebd., 351. 133 So etwa durch die Ausarbeitung eines Kataloges an „Grundsätze( n )“, die vom Burschenconvent der Li- bertas 1952 einstimmig als „ideenmäßige Grundlage des Bundes“ angenommen wurden ( ebd., 32 f. ). Im