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III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen
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zu machen , wird keineswegs als erforderlich angesehen.143 Gleichwohl weist Steiner
–
wohl auch im Bemühen , seine eigene Position als FPÖ-Funktionär zu legitimieren oder
aufzuwerten – der Parteipolitik eine hervorgehobene Stellung zu. Während nämlich
die Burschenschaften als solche die Parteienauseinandersetzung meiden sollten , könne
„( d )er einzelne Burschenschafter“ unter demokratischen Verhältnissen „im wesent-
lichen politisch nur im Rahmen einer Partei effizient sein“, was seine „Identifizierung“
mit einer solchen „notwendig“ mache. Zwischen jenen Burschenschaftern , die diesen
Weg wählten , und solchen , die etwa im Kultur- und Wissenschaftsbetrieb , im Erzie-
hungswesen oder ‚in der Wirtschaft‘ burschenschaftlichen Zielen zuarbeiteten , habe
sich eine bewährte „Arbeitsteilung“ entwickelt. Klar sei jedoch : „Die Burschenschaft
ist die geistige Quelle für den einzelnen , nicht nur dem [ sic ] politisch tätigen [ sic ]“.144
Folgt man Steiners Bundesbruder Friedrich Stefan , so streben Burschenschafter po-
litische Ämter grundsätzlich mit dem Ziel an , „die Grundsätze und Forderungen der
Burschenschaft auch in der Öffentlichkeit wirksam zu vertreten“.145 Tatsächlich scheint
wenig wahrscheinlich , dass jeder parteipolitisch aktive Burschenschafter den burschen-
schaftlichen Idealisten zuzurechnen ist und in der Korporation ultimative Sinnstiftung
findet. Wo dies der Fall ist , spreche ich vom Typus des Burschenschafter-Politikers. Die-
ser hebt sich von anderen Burschenschaftern-in-der-Politik dadurch ab , dass er seine
burschenschaftliche Sozialisation als wesentliche Motivationsquelle für seinen Gang
‚in die Politik‘ erkennt und den Anspruch verfolgt , seine politischen Funktionen in ei-
ner Weise auszuüben , die im Einklang mit burschenschaftlichen Idealen steht. Als ein
Beispiel sei Klaus Mahnert ( Burschenschaft der Pflüger Halle ) genannt. Der ehemalige
SS-Offizier und FPÖ-Nationalratsabgeordnete ( 1959 bis 1966 ) erklärte 1977 vor bur-
schenschaftlichem Publikum , die Burschenschaft habe ihm eine Vielzahl „an inneren
Werten“ sowie einen „Kompaß“ auf seinen Lebensweg mitgegeben , „mit dessen Hilfe
das innere Gesetz aufgespürt werden kann“.146 Noch konkreter gab der Olympe Martin
Graf 2009 gegenüber profil an , parteipolitisch tätig geworden zu sein , um seine „Ka-
meraden- und Wertegemeinschaft mehrheitsfähig zu machen“.147 Mario Eustacchio
( Stiria Graz und FPÖ-Stadtrat dortselbst ) erklärte 2014 , er werde „immer zuerst Bur-
schenschafter und dann erst Politiker sein. Eine Burschenschaft ist etwas viel Größe-
res als die FPÖ.“148 Umgekehrt berichtet Scheichl von einem früheren FPÖ-Vizebür-
143 Die Liberten-Chronik nennt , in Wiedergabe Berkas , als Alternativen etwa das Engagement „im eige-
nen Bund , ( … ) in Schutzvereinen , im Turnverein , im Alpenverein und im Sprachverein“ – oder eben
auch „in der deutsch-freiheitlichen Partei“, womit wohl die FPÖ gemeint war ( Libertas 1967 , 110 ).
144 Steiner 1974 , 11.
145 F. Stefan 2009 , 9.
146 Wiedergegeben in den Burschenschaftlichen Blättern Nr. 4 / 1977 [ Juni ], 97.
147 Zit. in profil Nr. 23/2012 , 24.
148 Falter Nr. 5/2014 , 43.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619