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III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen
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Dieser Motivations- und Ermöglichungszusammenhang lässt sich anhand der Re-
krutierung der ( v. a. Wiener ) FPÖ aus der Burschenschaft Aldania illustrieren ( vgl.
Kapitel V.6 ). Das Beispiel der Aldanen zeigt , wie auch Fälle aus anderen Bünden , dass
zwar überdurchschnittliches Engagement in der Burschenschaft keineswegs eine Par-
teikarriere garantiert , dass umgekehrt jedoch parteipolitisch herausragende Burschen-
schafter in auffälliger Häufung während ihrer Aktivzeit durch solches Engagement in
Erscheinung getreten waren.152 Darüber hinaus bestehen Anhaltspunkte dafür , dass
Führungspersönlichkeiten im Bund auch zu solchen in der Partei avancierten , wäh-
rend andere in beiden Bereichen eher in der zweiten Reihe verharrten
– ein Umstand ,
zu dessen Erklärung freilich auch der Einfluss vor-burschenschaftlicher Prägungen
und Dispositionen in Rechnung zu stellen ist. Dass die Aldanen ( und einzelne ihnen
verbundene Familien ) überhaupt gleichsam eine Dynastie innerhalb der Wiener FPÖ
ausbilden konnten , verdankt sich zum einen der von ihnen innerparteilich etablierten ,
v. a. eigene Bundesbrüder begünstigenden Korporiertenseilschaft , zum anderen der ( wie
in den meisten Bünden ) stark entlang familiärer Linien erfolgenden Reproduktion der
Verbindung selbst. Nicht nur im Fall der Aldanen fand die Rekrutierung von Söhnen
durch Väter für die Verbindung ein Abbild in der Rekrutierung jüngerer durch ältere
Bundesbrüder für Parteifunktionen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten , dass Burschenschaften ihre Mitglieder ( auch )
im Untersuchungszeitraum zu politischem Handeln auf Grundlage burschenschaft-
licher Ideale anhielten und diese Erwartungshaltung von ihren Adressaten unter-
schiedlich verarbeitet wurde. Dies fand wiederum in unterschiedlichen Niveaus von
persönlichem Einsatz Niederschlag. Die vorzufindende Bandbreite reicht vom gesel-
ligkeitsorientierten Burschenschafter , der den an ihn gestellten politischen Auftrag
weitgehend ignorierte , bis hin zum Burschenschafter-Politiker , der seiner Verpflichtung
hauptberuflich nachging , und manch burschenschaftlichem Meinungsführer , der sein
Leben inner- und außerhalb der Verbindung der Verwirklichung burschenschaftlicher
Ziele geweiht hatte. Der Frage , wie der politische Auftrag den einzelnen Burschenschaf-
tern vermittelt wurde ( und nach wie vor wird ), ist der folgende Abschnitt gewidmet.
152 Die Übernahme von Ämtern ( ‚Chargen‘ ) innerhalb der Verbindung ist an sich
– obwohl formal Ergebnis
einer Wahl
– weder ein zuverlässiger Indikator für individuelles Engagement noch für besonderes An-
sehen. Aufgrund der Personalsituation der meisten Bünde über weite Strecken des Untersuchungszeit-
raums gerieten viele Burschen im Laufe ihrer Aktivzeit fast zwangsläufig in solche Funktionen. Vgl. dazu
etwa die Mitgliederliste in Oberösterreicher Germanen 1967 , 195–230. Um tatsächlich hervorzu stechen ,
waren simultane oder serielle Ämterkumulation und/oder eine besonders hervorstechende Amtsführung
vonnöten. Die Übernahme von Dachverbandsämtern war individuell leichter zu umgehen , weshalb sie
als Ausweis besonderen Einsatzes tauglicher erscheint.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619