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III.3 Burschenschaftliche Erziehung
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schenschafters“ anzunehmen153 , wollten auch die DBÖ-Bünde ihren Nachwuchs „see-
lisch , geistig , körperlich“ fördern und jedes ihrer Mitglieder dabei unterstützen , „zur
vollen Persönlichkeit zu reifen“.154 Ein Grundsatzbeschluss von 1963 benannte die „sitt-
liche , wissenschaftliche und körperliche Ausbildung ihrer Mitglieder“ als Ziel.155 Noch
heute beansprucht Stiria , sowohl die „humanistische Allgemeinbildung“ ihrer Mitglie-
der zu fördern als auch die Kultivierung von Sekundärtugenden wie Hilfs bereitschaft ,
Ehrenhaftigkeit und Benimm.156
Mit diesem holistischen Ansatz verbunden war der Anspruch , die universitäre ( Aus-)
Bildung der Mitglieder gleichsam abzurunden und zu vervollständigen. Die Burschen-
schaften wollten ihren studentischen Mitgliedern „ergänzend zur fachlichen Ausbildung
des Studiums“ und „jenseits von ‚political correctness‘ “ eine „gediegene Allgemeinbil-
dung zukommen“ lassen , zumal die Universitäten über die Jahrzehnte ihren Auftrag
„umfassende( r ) Bildung im Sinne eines Studium generale“ zunehmend vernachlässigt
hätten , führte die DBÖ in ihrer Keilbroschüre von circa 1994 aus.157 Das Motiv der
Kompensation universitärer bzw. staatlicher Versäumnisse findet sich etwa auch 1977
bei Günther Paul ( Leder Leoben ): Da das staatliche Bildungswesen es verabsäume , den
Nachwuchs zur Kritik an Missständen zu befähigen und ihm ein be jahendes Verhält-
nis zur „Gemeinschaft seines Volkes“ und zur Institution der Familie zu vermitteln ,
sollte zumindest die Burschenschaft ihre Mitglieder in diesem Sinne „erziehen“.158 Her-
bert Schuller ( Oberösterreicher Germanen ) wiederum argumentierte 1982 die Notwen-
digkeit burschenschaftlicher „Bildungsarbeit“ damit , dass eine Bildung ohne „Verfäl-
schungen unserer Ethik ( … ) von Schule und Universität nicht mehr erwartet werden
kann“.159 Bereits diese Einschätzungen konnten sich jedoch auf eine lange Tradition
stützen. Schon im 19. Jahrhundert verstanden die studentischen Verbindungen insge-
samt sich Lönnecker zufolge
153 AVSt , Deutsche Burschenschaft 1961 , 13.
154 Ebd., 14.
155 BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Arbeitsunterlagen zum DBÖ-Tag 1963 , 3 , vgl. für den Beschluss die Nieder-
schrift des DBÖ-Tages , 5. Vgl. ähnlich auch BAK , DB 9 , E. 4 [ B2 ], Grundsätze der DBÖ , Anlage B
zum ADC-Rundschreiben Nr. 1 ( Markomannia ) von 1965/66 ( undatiert ). Zur ‚sittlichen‘ Erziehung
vgl. auch das auf das 19. Jahrhundert zurückgehende Selbstverständnis Silesias als „Schule der Ehre , der
edlen Sitte und des Mannesmutes , ( als ) eine Stätte nationaler Erziehung“ ( http://silesia-wien.at/index.
php/silesiageschichte.html ).
156 http://www.stiria-graz.at/index.php/wir-ueber-uns.
157 AVSt , DBÖ 1994 , 16. Sowohl der Verweis auf „ ‚political correctness‘ “ als auch die Platzierung dieses
Bekenntnisses unter dem Abschnitt „Politische Veranstaltungen“ unterstreichen , dass burschenschaft-
liche Allgemeinbildung weniger allgemein-humanistischen als vielmehr dezidiert politischen Erwägun-
gen folgt.
158 Burschenschaftliche Blätter Nr. 4 / 1977 [ Juni ], 96 f.
159 Paraphrasiert in Oberösterreicher Germanen 1994 , 114.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619