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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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Prägung sich als nachhaltig erweisen , muss sie demnach gründlich erfolgen und so mög-
lichst gegen Einflüsse der außerburschenschaftlichen Welt immunisieren : „Die Ge-
fahr der Verfälschung unserer Ethik ist groß , insbesondere dann , wenn sich ihre Träger
an gesellschaftliche Tendenzen und Booms gedankenlos anpassen. Dies zu vermeiden ,
setzt Bildungsarbeit voraus.“173 Steht nun für diese ‚Bildungsarbeit‘ immer weniger Zeit
zur Verfügung , sind Anpassungen vonnöten. Zu diesem Schluss gelangte jedenfalls der
Olympe Burchhart 2011 in seiner Funktion als ‚Bildungsbeauftragter‘ der DB : Da an den
Hochschulen des 21. Jahrhunderts „nur kurze Zeit zur Verfügung“ stünde , „um junge
Bundesbrüder mit burschenschaftlichem Gedankengut auszurüsten“, müsse der Verband
seine einschlägigen Bemühungen entsprechend intensiver bzw. effektiver gestalten.174
Trotz der vorrangigen Bedeutung der Aktivzeit im burschenschaftlichen Erziehungs-
programm findet dieses für das Individuum mit dem Übergang in den Altherrenstand
kein Ende , sondern bedarf im Sinne der ‚Ergebnissicherung‘ einer kontinuierlichen
Fortführung. So konstatierte Allemannia Graz 1962 besorgt , dass öffentliche Stellen
wie auch Privatfirmen in Österreich Stellenwerber nötigten , bestimmten Parteien oder
sonstigen Organisationen – gemeint wohl SPÖ und ÖVP sowie deren Vorfeldorgani-
sationen wie BSA und Akademikerbund – beizutreten , „die den burschenschaftlichen
Gedanken bekämpfen und das Bekenntnis zum deutschen Volkstum verneinen“. Des-
halb werde „die jahrelange Erziehung des jungen Burschenschafters in seinem Bund
( … ) durch seine neue berufliche Umgebung gefährdet , wenn er sich in dieser Stellung
überhaupt noch als Burschenschafter bekennen darf“.175 So sehr diese Analyse die Rea-
lität am österreichischen Arbeitsmarkt der 1960er-Jahre und weit darüber hinaus wie-
dergeben mag , so sehr zeugt sie doch auch von einem gewissen , wohl auf einschlägiger
Erfahrung beruhenden Misstrauen in die Bindekraft des burschenschaftlichen Gedan-
kenguts. Es erscheint mir plausibel , dieses Misstrauen als Konsequenz des vorherrschen-
den doktrinären Charakters burschenschaftlicher Erziehung zu verstehen : Weil diese
gerade nicht darauf abstellt , in den Individuen Prozesse der Selbstaneignung , des sich
die Bildungsinhalte ‚Zu-eigen-Machens‘ ( unter Inkaufnahme des Risikos unerwünsch-
ter Ergebnisse ) in Gang zu setzen , bleiben ihre Resultate den Individuen äußerlich und
damit prekär. Für diese Interpretation spricht , dass man , um eine Entfremdung der In-
dividuen von den Burschenschaften zu verhüten , auf möglichst weitgehende Isolation
173 Herbert Schuller , paraphrasiert in Oberösterreicher Germanen 1994 , 114.
174 Burschenschaftliche Blätter Nr. 3/2011 , 179. Burchhart bezog sich dabei auf die europaweite Vereinheit
lichung
der tertiären Bildungssysteme nach dem angelsächsischen Modell ( ‚Bologna-Prozess‘ ), welche die durch-
schnittliche Studiendauer von einigen Jahren auf
– im Fall von Bachelor-Studien
– wenige Semester redu-
ziert hat. Auch steigender ökonomischer Druck auf die Studierenden durch Studiengebühren und Beihil-
fenkürzungen erschwert zusehends extracurriculare Aktivitäten wie verbindungsstudentisches Engagement
und gemahnt an die Nachkriegsrealität eines ausgeprägten WerksstudentInnentums.
175 BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Arbeitsunterlagen zum DBÖ-Tag 1962 , 5.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619