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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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akademischen Fachausbildung. Zum anderen diente sie als Podium für von der Entna-
zifizierung betroffene Universitätsprofessoren , die hier trotz Entzugs der Lehrbefug-
nis ihre jeweilige Expertise einem geneigten Publikum nahebringen konnten201
– und
kann damit als Ort institutionalisierter Obstruktion von Entnazifizierungsbestrebun-
gen bezeichnet werden. Dass die FAV gerade jene zur Schulung ihres Nachwuchses
auserkoren , die von offizieller Seite als für das Bildungswesen eines demokratischen
Staates ungeeignet eingestuft worden waren , und viele Korporationen deren Vor-
träge fest in ihr Erziehungsprogramm integrierten202 , unterstreicht die Kontinui-
tätsorientierung der ‚freiheitlichen‘ Akademikerschaft nach 1945. Die weitgehende
Rück abwicklung der Entnazifizierung überdauerte die Freie Akademie als akademi-
sches Forum des völkischen Milieus , das immer wieder auch Vertreter anderer kon-
servativer Spektren für Auftritte nutzten , darunter die als amtierende Minister dort
vortragenden ÖVP-Politiker Karl Schleinzer ( 1962 ) und Erhard Busek ( 1990 ).203 Noch
in den 1980er-Jahren fanden die Akademie-Veranstaltungen in Wien und der Steier-
mark jedenfalls phasenweise regelmäßig statt , bevor sie sich in den 1990er-Jahren zuse-
hends verliefen. Ihre Tradition wurde in gewisser Weise vom Neuen Klub weitergetra-
gen , der bis heute in Wien ( sowie in Salzburg ) regelmäßige Vortragsveranstaltungen
mit ähnlichem Referentenspektrum abhält und damit eine ähnliche integrative und
pädagogische Funktion erfüllt.204
201 Vgl. Dvorak 1996 , 47. Aufgrund dieses ihres Gründungszweckes war die Freie Akademie eng mit der
1953 gegründeten Notgemeinschaft ehemaliger Hochschullehrer verbunden , in der u. a. der Burschenschaf-
ter Heinrich Sequenz ( Eisen Wien ) an führender Stelle wirkte ( vgl. AUW , S 259.81 , Statutenentwurf ,
übermittelt mit Schreiben der Sicherheitsdirektion Wien an das Rektorat der Universität Wien vom
13. 4. 1953 ). Sequenz war letzter Rektor der Technischen Hochschule Wien im Nationalsozialismus ge-
wesen und konnte bereits 1954 wieder auf einen Lehrstuhl an derselben Hochschule zurückkehren. Vgl.
zur Notgemeinschaft auch die Aula Nr. 3 / 1955 [ Dezember ], XIII ; zu ihrer Unterstützung durch den RFS
und die damalige Österreichische Hochschülerschaft ( ÖH ) vgl. die Aula Nr. 10–11 / 1954 [ Juli / August ], Aka-
demisches Leben , I.
202 Vgl. z. B. die Nachrichten der Burschenschaft Vandalia , Wintersemester 1962/63 , 1 ; Oberösterreicher Ger-
manen 1967 , 133 ; Aldania 1984 , 30. Ein WKR-Beschluss verpflichtete in Wien ohnehin jeden Mit-
gliedsbund , die Vorträge „mit mindestens zwei Vertretern“ zu beschicken ( Oberösterreicher Germa-
nen 1994 , 82 ). Bei Libertas war die Teilnahme für die gesamte Aktivitas verpflichtend ( Libertas 1967 ,
204 ).
203 Vgl. Aula Nr. 7 / 1962 [ April ], 35 bzw. Nr. 3 / 1990 [ April ], Akademisches Leben , 1.
204 Der Neue Klub wurde 1957 gegründet , wobei in Wien der ehemalige Führer der Burschenschaft der Ost-
mark ( 1933 bis 1938 ) und SS-Hauptsturmführer Erich Führer ( Bruna Sudetia Wien , Allemannia Graz )
federführend war , der auch an den ‚Oberweiser Gesprächen‘ von ÖVP und ‚Nationalen‘ 1948 teilgenom-
men hatte ( vgl. zu ihm http://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/neues-von-ganz-rechts/Archiv/
september2001/erich-fuehrer und Dvorak 1999 , Biographisches Lexikon I/2 , 86 f. ). Die Veranstaltungen
des ‚Klubs‘ wurden in der Aula gleichberechtigt mit jenen der Freien Akademie , also der Aula-Besitzer
selbst , angekündigt.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619