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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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Rahmen seiner Amtstätigkeit wichtige Erfahrungen zu gewinnen“.212 In der Verbin-
dung , und umso mehr auf Verbandstagen , lerne der Burschenschafter , „sich eine eigen-
ständige Meinung zu bilden , diese schlüssig vor anderen zu vertreten und gegebenenfalls
Bundesbrüder von seinen Ansichten zu überzeugen“, aber auch seiner Meinung wider-
sprechende „demokratische Mehrheitsentscheide mitzutragen“.213 Norbert Gugerbauer ,
der selbst als Burschenschafter und RFS-Funktionär das politische Handwerk erlernte ,
unterstrich , dass die Hochschulpolitik „taktisches Einfühlungsvermögen“ schule , Bur-
schenschaftliche Abende wiederum Wissen zu politischen Sachfragen vermittelten. Auf
Burschentagen ( und wohl auch in anderen politischen Foren ) helfe beides dabei , Un-
entschlossene für die eigenen Positionen zu gewinnen.214
Eine wichtige Rolle spielt burschenschaftliche Erziehung schließlich auch als Re-
produktionsinstanz des burschenschaftlichen Elitenbewusstseins ( nach innen ) und Eli-
tarismus ( als normative Vorstellung über die Einrichtung von Gesellschaft ). Entspre-
chend der bürgerlich-antifeudalen Tradition , der die deutsche Nationalbewegung und
mit ihr die Burschenschaften entstammen , lehnen Letztere eine gesellschaftliche Aus-
lese nach dem Vererbungsprinzip ( und jedenfalls deklarativ auch eine solche nach sozio-
ökonomischen Kriterien ) ab , behaupten jedoch gleichzeitig Eliten als gesellschaftlich
wünschenswert , wenn nicht gar notwendig. Als legitime Kriterien für die Zuerkennung
eines Elitenstatus erachten sie überlegene Moral und ebensolche Leistung(-sfähig keit ).
Da burschenschaftliche Erziehung beides zu verbürgen beansprucht , sehen Burschen-
schafter sich zur Einnahme gesellschaftlicher Führungspositionen berufen.215 Eben
diese Erwartung fand nach 1945 jedoch nur noch geringe Entsprechung in der realen
gesellschaftlichen Positionsverteilung ( und insbesondere in der Allokation staat licher
Funktionen ). Der Aufstieg in die Funktionselite hörte auf , eine Konsequenz burschen-
schaftlicher Erziehung zu sein , blieb aber eine an diese geknüpfte Intention. ( Vgl. hierzu
ausführlich den Abschnitt III.6.3. )
212 AVSt , DBÖ 1994 , 8.
213 Ebd., 23. Vgl. hierzu auch Schmidt : „Burschentage sind eine hervorragende Plattform , um ruhiges und
überlegenes Auftreten zu lernen , eine erstklassige Übung des Selbstbewusstseins , der Selbstkontrolle
und der Rhetorik. ( … ) Ich wüßte keine bessere Schulung für die freie Rede als das Auditorium eines
Burschentages.“ ( Schmidt 2000 , 42 ) Zur Schulung rhetorischer Fertigkeiten als Teil burschenschaft-
lichen Erziehung vgl. Aldania 1994 , 198 ; AVSt , Deutsche Burschenschaft 1961 , 12 ; AVSt , DBÖ 1994 , 8
und 16 ; Gothia 1992 , 6 ; Oberösterreicher Germanen 1994 , 17 und 34 ; BAK , DB 9 , B. VI., Burschentage
( a ), Niederschrift des DB-Burschentages 1977 , 21 ; PBW , Niederschrift des DB-Burschentages 1990 , 2.
214 Zit. n. Oberösterreicher Germanen 1994 , 33. Ergänzend lässt sich an dieser Stelle auch auf die Aus-
einandersetzung mit dem politischen Gegner verweisen , die ( u. a. ) bei den Oberösterreicher Germanen
nicht nur praktisch in der Hochschulpolitik , sondern
– etwa im Rahmen Burschenschaftlicher Abende
–
auch in der Theorie gesucht wurde ( vgl. Kapitel IV.2.6 ).
215 So gründete etwa der WKÖ sein elitäres Selbstverständnis nicht zuletzt auf die von den in ihm orga-
nisierten Burschenschaften vorgenommene „strenge Korporationszucht“ ( Libertas 1967 , 180 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619