Seite - 183 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 183 legungen führe , zumal Burschenschafter üblicherweise starke Charaktere mit „ausge- prägtem Eigenwillen“ seien. Meinungsvielfalt sei unproblematisch , solange die Grund- werte ‚Ehre , Freiheit , Vaterland‘ gewahrt blieben.221 Das Primat des Völkischen ( vgl. Abschnitt III.7 ) galt somit auch gegenüber Wer- ten wie Pluralismus und Debattenkultur , wiewohl Letztere vereinzelt auch den Ge- genstand positiver Bezugnahmen bilden.222 „( J )egliche Meinungsverschiedenheit über Komment , Organisation oder Parteipolitik“ sei „gegenüber dem burschenschaftlichen Ziele nationaler Einheit zurück( zu )stellen“, argumentierte Mühlwerth in derselben Festschrift , der die eben zitierten Worte Stagels entstammen ( und führte dabei Bun- desbruder Töpfer , Präsident der Reichsbahndirektion Wien im Nationalsozialismus , als beispielgebend an ).223 Bei Libertas wurde die Grenze für politischen Pluralismus diesseits des Engagements für Parteien oder Bewegungen gezogen , „welche den Bestand oder die Freiheit des deutschen Volkes gefährde( n )“.224 Insofern das völkische Prinzip gerade in der in Österreich dominanten Sichtweise den Kern burschenschaftlicher po- litischer Programmatik bildet , kann somit nur ein sehr reduzierter Begriff von Pluralis- mus affirmativ aufrechterhalten werden  – wenn überhaupt. „Als wertkonservative Ge- meinschaft muß sich die Burschenschaft ( … ) dem gefährlichen Begriff ‚Pluralismus‘ ebenso entgegenstellen wie der Chimäre einer multikulturellen Gesellschaft“, forderte Pennalburschenschafter Jürgen Hatzenbichler 1994 in der Festschrift der an der Fach- hochschule Pinkafeld angesiedelten Burschenschaft Marko-Germania.225 In diesem Zitat ist angedeutet , was als Hauptargument gegen eine Überschätzung der innerburschenschaftlichen Meinungsvielfalt ( respektive zu deren Relativierung ) angeführt werden kann : Verschiedentlich vorzufindenden Bekenntnissen zur poli- tisch-ideologischen Vielfalt zum Trotz war und ist ihr Gegenteil  – Geschlossenheit bzw. ‚geistige Einheit‘  – vom burschenschaftlichen Mainstream in Österreich explizit erwünscht. Die Belege dafür reichen von einem Burschenschaftlichen Schulungskurs des ADC 1958 , der mit dem Ziel angesetzt worden war , hinsichtlich des Vaterlands- begriffes „eine möglichst einhellige Meinung des ADC herbeizuführen“226 , bis hin zur 221 Teutonia 1968 , 122 f. ; ganz ähnlich Günther Berka in den Burschenschaftlichen Blättern Nr. 1 / 1957 , 11. 222 So warb Gothia 1994/95 für sich als Ort , an dem man „Toleranz lernen und praktizieren“ könne : „( B )ei uns sind politische Ansichten verschiedener Richtungen vertreten. Wir respektieren andere Meinun- gen und setzen uns mit ihnen auseinander.“ ( DÖW , Gothia-Flugblatt vom Wintersemester 1994/95 , o.  S. ) Die Obergermanen-Chronik vermerkt ihrerseits die 1989 zutage getretene Existenz einer „große( n ) Bandbreite an Auffassungen über den Begriff ‚Kunst‘ in unserem Bund“ als „erfreulich( )“ ( Oberöster- reicher Germanen 1994 , 147 ). 223 Teutonia 1968 , 143. 224 Libertas 1967 , 96. Vgl. zu den Grenzen tolerabler politischer Betätigung auch ebd., 68 f. 225 Zit. n. Schiedel/Zellhofer 1995 , 50. 226 So die damalige ADC-Vorsitzende Albia in der Niederschrift des ( ord. ) ADC-Tages 1958 , 3 ( BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ]). Zu ergänzen ist , dass die angestrebte Homogenisierung nicht durch frontale Indoktrina-