Seite - 187 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Bild der Seite - 187 -
Text der Seite - 187 -
III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist
187
waren zu keinem Zeitpunkt als ‚liberal‘ im Sinne bundesdeutscher Burschenschaften
einzustufen , sondern ideologisch den anderen Österreichern auch in Zeiten größter Iso-
lation stets näher als etwa den Positionen jener bundesdeutschen Bünde , die sich 1996
als Neue Deutsche Burschenschaft von der DB abspalteten. Den härtesten Beleg für ihre
ideologische Linientreue liefert ihre eigene Chronik , die festhält , dass – jedenfalls um
1970 – „( d )ie Ablehnung des Verbandes [ der DBÖ , Anm. B. W. ] uns gegenüber ( … )
ausschließlich in unserem Standpunkt zum Duell zu suchen“ gewesen sei.242
Zum Zweiten fanden sich die Oberösterreicher trotz ihrer bleibenden Verwurzelung
auf dem Boden völkischen Denkens bei ihren unorthodoxen Ausritten meist allein auf
weiter Flur. Ein alternatives Lager , das den burschenschaftlichen Mainstream zumin-
dest in Brauchtums- und Taktikfragen hätte konfrontieren können , bildete sich um sie
nie heraus. Dies wohl auch , weil sie drittens trotz weitestgehender ideologischer Kon-
formität phasenweise von den Mainstream-Bünden scharf isoliert oder gar regelrecht
bekämpft wurden.243 Dies unterstreicht , wie sehr der Mainstream auch geringe Ab-
weichungen als Bedrohung empfand – und damit auch , welch hohen Stellenwert das
Ideal der Geschlossenheit für ihn einnahm. In Summe taugen die Obergermanen da-
mit eher als Beleg für den hohen Grad an ( und hohen Druck zur ) Konformität inner-
halb der Burschenschaften in Österreich als für deren Gegenteil. Die Berücksichti-
gung eben des erwähnten Drucks sollte gleichwohl davor bewahren , das tatsächliche
Ausmaß inhaltlicher Einigkeit zu überschätzen : Dass die Verbindung sich ideologisch
nicht weiter von den anderen Bünden entfernte und ihr schon in der ansatzweisen Ab-
setzbewegung kaum Begleitung zuteilwurde , dürfte zum Teil auf die Angst vor Sank-
tionen , insbesondere vor Isolierung , zurückzuführen sein. Als sie 1966 diese Isolierung
in Kauf nahm und ihre Ablehnung der unbedingten Satisfaktion mit Waffe erklärte ,
vollzogen in den folgenden Jahren mehrere Bünde diesen Schritt nach ( vgl. Unterab-
schnitt III.4.2 ). Noch weiter zu gehen war man allerdings auch bei den Oberösterrei-
chern ( noch ) nicht bereit. 2012 erklärte der Bund schließlich
– in einem für österreichi-
sche Verhältnisse bemerkenswerten Schritt
– seinen Austritt aus der BG. Im Kontext
einer tiefen Krise der DB ( und einer Austrittswelle , die jene der 1990er-Jahre noch in
den Schatten stellte )244 taten Cruxia Leoben und Marcho Teutonia Graz es ihm gleich.
242 Oberösterreicher Germanen 1994 , 21.
243 Vgl. etwa ebd., 22 und 94–96 ; zur Aufkündigung von Paukverhältnissen ( d. h. Mensurbeziehungen ) vgl.
ebd., 14 , 24 f., 79 , 91 sowie BAK , DB 9 , B. VI., Burschentage ( a ), Arbeitsunterlagen zum DB-Burschen-
tag 1976 , 10–12. Die Obergermanen-Chronik berichtet weiters von einer Phase der „Verachtung“ durch
die meisten anderen Bünde ( Oberösterreicher Germanen 1994 , 72 ). Wie die Isolation teils selbst ge-
wählt , war auch diese Verachtung eine beidseitige : Zur Mitte der 1970er-Jahre habe man sich lieber mit
kommunistischen oder sozialistischen Studentenkadern unterhalten „als mit einem Silesen oder Teuto-
nen“, erinnert sich ein damals Aktiver ( zit. ebd., 73 ).
244 Vgl. http://www.faz.net/Aktuell/gesellschaft/studentische-verbindungen-die-krise-der-deutschen-bur-
schenschaft12795301-p5.html ( Artikel vom 14. 2. 2014 , Matthias Stickler ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619