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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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Gleichzeitig für das Burschenschaftswesen in Österreich untypische Worte zu finden
( und diese sogar öffentlich zu artikulieren ), blieb einmal mehr den Obergermanen vor-
behalten. Zwei anonym bleibende Aktive erklärten im Interview mit der deutschen
ZEIT vermeintlich Selbstverständliches , das so zuvor doch kaum gehört worden war :
„( D )as deutsche Kulturgut“ sei „kein Genpool“, die Frage der Abstammung dement-
sprechend nicht entscheidend für die Volkszugehörigkeit ; der 8. Mai sei ein Tag der
Niederlage , doch gleichzeitig auch einer der Befreiung ; und das Verbotsgesetz sei Aus-
druck der historischen Verpflichtung Österreichs , einer Wiederholung des Geschehe-
nen zu wehren.245
Pluralismus im deutsch-österreichischen Vergleich
Wie in vielerlei Hinsicht , so erweist der Vergleich der Burschenschaften in Österreich
mit jenen in Deutschland sich auch in puncto ( v. a. der interbündischen ) Heteroge-
nität als aufschlussreich. Die Richtung weist die Argumentation Danubia Münchens
für die Wiedereinführung der Pflichtmensur am DB-Burschentag 1977 : „( G )erade die
Lage in Österreich“ habe gezeigt , „daß die Mensur bei den B !B ! [ Burschenschaften ,
Anm. B. W. ] mit zu einem geschlossenen , einheitlichen und unzerstrittenen Auftreten
der dortigen Vbr.Vbr. [ Verbandsbrüder , Anm. B. W. ] beigetragen habe , das den B !B !
in Westdeutschland ja fehle“.246 Das Ausmaß der Differenz bleibt selbst dann bemer-
kenswert , wenn man die größere Zahl und geographische Disparität der bundesdeut-
schen Bünde in Rechnung stellt.247
In besonderer Deutlichkeit trat die Differenz erstmals im Zuge der ( 1961 vorerst ge-
scheiterten ) Anbahnung des Zusammenschlusses von DB und DBÖ hervor. Während
Für und Wider dieser Vereinigung in der Bundesrepublik anhand hochpolitischer Fra-
gen wie jener nach der Aufarbeitung des Nationalsozialismus beiderseits der Grenze
oder nach der ( etatistischen oder völkischen ) Bestimmung von ‚Vaterland‘ diskutiert
wurden248 , herrschte bei den Österreichern Uneinigkeit lediglich hinsichtlich der Ein-
schätzung , ob ein Aufgehen in der DB eher zu einer Angleichung der österreichischen
245 Zit. n. http://www.zeit.de/2013/06/Oesterreich-Burschenschaften ( Artikel vom 31. 1. 2013 , Florian Gasser ).
246 BAK , DB 9 , B. VI., Burschentage ( a ), Niederschrift des DB-Burschentages 1977 , 16.
247 Ohnedies ließe sich etwa anhand einer Gegenüberstellung der konsequent auf ‚österreichischem‘ Kurs
segelnden Danubia München und der vergleichsweise liberalen Münchner Stauffia argumentieren , dass
in Deutschland auch Burschenschaften aus ein und derselben Stadt eine größere ideologische Band-
breite repräsentieren konnten als alle österreichischen Bünde zwischen Innsbruck und Wien.
248 Vgl. etwa Libertas 1967 , 99–101 oder Kuhn 2002 , v. a. 101–104 und 115–120. Aus Sicht der Österreicher
war diese Meinungsvielfalt Indiz , dass „( l )inke Ideologie und allzu starke geistige Amerikanisierung
( … ) in der DB bereits Einzug gehalten“ hatten ( Brixia 2001 , 33 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619