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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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der Fälle keine programmatischen bzw. ( vordergründig ) politischen Fragen zum Ge-
genstand hatten.258 Stattdessen wurde im ADC der 1950er- bzw. der DBÖ der 1960er-
Jahre , durchaus repräsentativ für die Folgejahrzehnte , über die Austarierung des Ver-
hältnisses von Verbands- und Einzelbundbefugnissen259 , über Versäumnisse ( verspätete
Stimm abgaben , Verzug bei Beitragszahlungen u. Ä. )260 oder eitle Bedürfnisse261 einzel-
ner Bünde oder über unvorsichtige Bemerkungen von Delegierten und andere persön-
liche Verstimmungen262 debattiert. Auch intrabündisch wurden die schärfsten Konflikte
mitunter über Fragen wie jene ausgefochten , ob und zu welchem Ende Conventspro-
tokolle in Kurrentschrift abzufassen seien.263
Weitere wiederkehrende Kontroversen von höherer Relevanz für das politische Pro-
fil der Burschenschaften in Österreich betrafen etwa die Wahl des angemessenen Zeit-
punktes für politische Interventionen , das Niveau und den Radius burschenschaft-
licher Aktivitäten und dabei auftretende taktische Detailfragen. Im Kern standen sich
bei diesen Auseinandersetzungen traditionalistisch-dogmatische und stärker moder-
nisierungswillig-pragmatisch ausgerichtete Kräfte gegenüber. Letztere äußerten bei-
spielsweise 1955 Bedenken gegen die Verabschiedung zweier von Olympia eingebrach-
ter Resolutionen zu den völkischen Reizthemen ‚Südtirol‘ und ‚Südkärnten‘. Befürchtet
wurde eine Beeinträchtigung der laufenden Verhandlungen über den Staatsvertrag.264
Weder wurde aber gegen den Inhalt der Resolutionen argumentiert noch bei folgenden
ADC- oder DBÖ-Tagen ( und deren Entschließungen ) entsprechende Kritik vorge-
bracht. Dass über die völkische Zielsetzung als Angelpunkt burschenschaftlichen Wir-
kens ( vgl. dazu Abschnitt III.7 ) ein breiter Grundkonsens bestand , dokumentierte der
Innsbrucker Germane Karl-Heinz Gidl , der bundintern 1964 als kritische Stimme des
Nachwuchses festhielt : „Das Ziel der DBÖ ist alles , was dem deutschen Volk nützt.
Nur der Weg ist hier die Frage.“265
258 Der Jahresbericht des DBÖ-Rechtsausschusses von 1962 legt sogar eine generelle Konfliktarmut nahe ,
zumal das Gremium darin angesichts der „geringe( n ) Zahl rechtlicher Streitfragen“ seine eigene Exis-
tenzberechtigung infrage stellte ( BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Anlage 1/3 zur Niederschrift des DBÖ-Tages
1962 , 1 ).
259 Vgl. z. B. die Niederschrift des ADC-Tages 1957 , 23–25 ; des ( ord. ) ADC-Tages 1958 , 4 ; der gemein samen
Sitzung von ADC- und Altherrentag 1958 , 3–6 ( alle : BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ]); oder des DBÖ-Tages 1962 ,
6 f. ( BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ]).
260 Vgl. z. B. BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ADC-Tages 1959 , 13 oder Aldania 1994 , 188.
261 Etwa in puncto der Frage , wer als älteste Burschenschaft Österreichs anzusehen sei ( vgl. BAK , DB 9 ,
E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ADC-Tages 1957 , 18–20 ).
262 Vgl. z. B. BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ADC-Tages 1956 , 11 und 17 oder Aldania 1994 , 199–
201.
263 Vgl. Aldania 1994 , 195.
264 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Protokoll des ADC-Tages 1955 , 12 f. sowie für einen ähnlichen Fall die Nie-
derschrift des ADC-Tages 1959 , 6 ( selber Bestand ).
265 Zit. in den Germanenmitteilungen , Februar 1964 , 5.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619