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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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listischen Partei“
– und somit der weltanschauliche Feind
– „Progressburschenschaf-
ter“ gewesen seien , „die keine Genugtuung gegeben“ hätten.277 Nicht zuletzt macht der
Umstand Heithers These logisch plausibel , dass das burschenschaft liche Reinheits streben
und die ihm entsprechende Beschwörung von Unbedingtheit und Kompromisslosig-
keit ( bzw. die Abwehrhaltung gegenüber Uneindeutigkeit und ‚Verfälschungen‘ ) bei je-
nen , die diese Prinzipien hochhalten , allenthalben
– von der Garderobe bis zum Pauk-
boden – stramm ‚konservative‘ Entscheidungen begünstigen.
Zusammenfassend betrachtet belegt auch der Blick auf zentrale Konfliktlinien inner-
halb des Burschenschaftswesens in Österreich über die Jahrzehnte eine weitreichende
Übereinstimmung in den ideologischen Kernbeständen , gleichzeitig aber eine unterschied-
lich stark ausgeprägte Modernisierungsbereitschaft ( vgl. dazu Abschnitt III.5 ). Der Druck
in Richtung ideologisch konformen Verhaltens sorgte über den Untersuchungszeitraum
für die Kanalisierung von Reformbestrebungen in vorderhand ‚unpolitische‘ Debatten.
Auch in diesen war die Bandbreite sagbarer Positionen in auffälliger Weise beschränkt ,
die Differenz zwischen hegemonialen und abweichenden Positionen nur für Eingeweihte
einigermaßen wahrnehmbar. So wurde nicht die Wünschbarkeit eines geeinten deutsch-
österreichischen Dachverbandes an sich , sondern lediglich jene seiner Realisierung zu ei-
nem gegebenen Zeitpunkt diskutiert ; nicht die überlieferte , männlich-soldatische Auffas-
sung von ‚Ehre‘ wurde hinterfragt , sondern lediglich der Brauch , deren ‚Reinhaltung‘ in
einem archaischen Ritual mit der Gewalt der Waffen zu vollziehen. Ungeachtet des weit-
gehenden ideologischen Gleichklangs und des monolithischen Auftretens nach außen
( vgl. Unterabschnitt III.4.3 ) waren die erwähnten Differenzen ausreichend , um in Kom-
bination mit persönlichen und interbündischen Animositäten phasenweise tiefe Zerrüt-
tung zwischen den einzelnen Burschenschaften in Österreich anzurichten : „Man stand
in Farben , aber tatenlos an den Säulen der Halle herum , nach Standpunkten , Ehrenord-
nungen und Paukverhältnissen gruppiert , auf daß sich niemand infiziere“, beschreibt Tul-
zer die allwöchentlichen ‚Farbenbummel‘ in der Aula der Universität Wien.278
Generationenkonflikte und ihre Prävention
Als sozialer Ort , an dem mehrere Generationen von Männern in institutionalisierter
Weise aufeinandertreffen , lassen Burschenschaften ein Ausmaß an Generationenkon-
flikt erwarten , dass dem gesamtgesellschaftlichen zumindest nahekommt. Tatsächlich
waren , den Quellen nach zu schließen , Frequenz und Intensität solcher Konflikte über
277 AAG , Korrespondenzen , DBÖ , Rundschreiben und Protokolle , Protokoll der Salzburger Arbeits tagung
vom 30. 4. 1964 , 2.
278 Oberösterreicher Germanen 1994 , 83. Vgl. dazu auch den Chronikeintrag für das Sommersemester 1977 ,
in dem Tulzer „in allen Verbänden Streitigkeiten , deren Qualität und Symptome zuweilen unerträg-
lichen Charakter annahmen“ notiert ( ebd., 85 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619