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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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über die Unwissenheit der Jungen und solchen der Jungen über die Teilnahmslosigkeit
der Alten abgesehen.284 Von jener „Krise zwischen Jung und Alt“, die in den bundes-
deutschen Burschenschaften nach Ansicht vieler Österreicher durch „Umerziehung“
und „Fälschung des Geschichtsbildes der Vergangenheit“ heraufbeschworen worden
sei , war in Österreich wenig zu bemerken.285
Formal-organisatorisch fand das Ideal des Gleichklangs der Generationen Nieder-
schlag im häufigen Fehlen getrennter vereinsrechtlicher Strukturen ( d. h. eines eigen-
ständigen Altherrenvereines )286 , wie sie in Deutschland schon in den 1950er-Jahren
durchaus üblich waren. Dies sorgte immer wieder für Irritationen zwischen Österrei-
chern und ( deutschen ) DB-Vertretern.287 Beispielsweise erblickte im Zuge der Fusi-
onsanbahnung zwischen DB und DBÖ mancher bundesdeutsche Burschenschafter in
der in Österreich herrschenden „starken Beeinflussung der aktiven Burschenschaften
heitliche‘ Jugend „zu wenig Gelegenheit ( habe ), ihre eigenen Auffassungen zur Geltung zu bringen“.
Schriftleiter Adalbert Aigner erkannte darin einen Auftrag , künftig dem Nachwuchs mehr Platz ein-
zuräumen , um „zu besserer Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Generationen beizutragen“
( Aula Nr. 12 / 1966 , Akademisches Leben , II ).
284 Vgl. dazu beispielhaft BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Bericht des Referenten für burschenschaftliche Arbeit ,
Anlage zur Niederschrift des DBÖ-Tages 1963 , 2 bzw. Oberösterreicher Germanen 1994 , 28. Dort , wo
die Quellen Kontroversen abbilden , entspannen diese sich zumeist zwischen Alten Herren – vgl. dazu
die sporadischen Klagen in den Burschenschaftlichen Blättern über die geringe Breite und Vielfalt sich
schriftlich zu Wort meldender Burschenschafter und die daraus folgende Überrepräsentanz der älteren
Generation ( nachzulesen u. a. in BAK , DB 9 , B. VI., Burschentage [ a ], Arbeitsunterlagen zum DB-Bur-
schentag 1977 , 15 ). Dasselbe Phänomen war
– vgl. vorangegangene Fußnote
– über den Untersuchungs-
zeitraum für die Aula in mindestens gleichem Maße zu konstatieren.
285 Robert Zimmermann ( Silesia ), wiedergegeben in BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ao. ADC-Ta-
ges 1958 , 4.
286 Vgl. BAK DB 9 , E. 4 [ A1 ], Protokoll des ADC-Tages 1954 , 10 und BAK , DB 9 , C. IV.2 [ A1 ], VaB-Mit-
teilungen Nr. 28 / 1961 ( Vorort Bremen ), 34. Scheichl bezeichnet 1962 im Namen der Aktiven der Inns-
brucker Germanen die Nichttrennung als „selbstverständlich“ ( PBW , Festrede am Kommers zum 70.
Stiftungsfest , Beilage zum Schreiben Scheichls an seine Bundesbrüder vom 25. 6. 1962 , 6 ). Oldenhage
weist allerdings darauf hin , dass die Bedeutung der jeweiligen formalen Regelung für den burschen-
schaftlichen Alltag und das tatsächliche Verhältnis von Aktivitas und Alten Herren häufig überschätzt
werde ( E-Mail an den Verf. vom 3. 2. 2012 ).
287 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ADC-Tages 1959 , 8 ; die Niederschrift der gemeinsa-
men Sitzung von ADC- und Altherrentag 1959 , 4 f. ( selber Bestand ); BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Nieder-
schrift des DBÖ-Tages 1961 , 8 , 10 und 12 ; BAK , DB 9 , B. VI., Burschentage ( a ), Arbeitsunterlagen zum
DB-Burschentag 1972 , 15 bzw. die Niederschrift desselben , 4. Grundsätzlich sah sich auch der ADC als
Vereinigung von Aktiven ( vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Protokoll des ADC-Tages 1954 , 9 f. ; im Wider-
spruch dazu BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Niederschrift der gemeinsamen Sitzung von DBÖ- und Alther-
rentag 1961 , 5 ), und beschworen umgekehrt auch die DB-Grundsätze von 1971 die „lebendige Einheit“
von alten und jungen Bundesbrüdern ( BAK , DB 9 , B. VI., Burschentage [ a ], Arbeitsunterlagen zum
DB-Burschentag 1971 , 12 ). Die Deutschen maßen offenkundig jedoch der Entscheidungsautonomie der
Aktiven deutlich höhere Bedeutung bei.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619