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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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kischen Fundamentalismus betrieben.317 Die Abschottung verhielt und verhält journa-
listische und wissenschaftliche BeobachterInnen zur Orientierung an äußeren Eindrü-
cken ; nehmen sie dabei die erwähnte Inszenierung für bare Münze und porträtieren
die Burschenschaften als eben jenen Monolithen , der sie nicht sind , aus Sicht der an-
tiliberalen Kräfte unter ihnen aber sein sollten , sehen die Verbindungen sich in puncto
der vermeintlichen ( und teilweise tatsächlich unleugbaren ) Voreingenommenheit und
Differenzierungsunwilligkeit Außenstehender bestätigt – und damit auch in ihrer re-
striktiven Informationspolitik , was den eben beschriebenen Kreislauf perpetuiert. Von
burschenschaftlicher Seite häufig nicht gesehen wird dabei , dass nicht wenige Kriti-
kerInnen der Korporationen ihrem Gegenstand ein höheres Maß an Heterogenität ein-
räumen , als mancher auf ‚Geschlossenheit‘ und ‚geistige Einheit‘ bedachte Burschen-
schafter zu tolerieren bereit ist.318
Wenngleich die Schuld für eine unzureichend differenzierte Darstellung der Bur-
schenschaften in Österreich , wie an anderer Stelle bereits festgehalten , nicht zuletzt
bei den Burschenschaften selbst zu suchen ist , ist die Praxis der Abschottung und der
Verdeckung von Meinungsvielfalt doch bei der Einschätzung des tatsächlichen Grades
an innerburschenschaftlicher Heterogenität in Rechnung zu stellen. Dies umso mehr ,
als die Bemühungen um eine geschlossene Außendarstellung – anders als jene um ein
pluralistisches Erscheinungsbild – vom innerhalb der österreichischen Bünde domi-
nanten Sektor ausgingen. Frischenschlager , Cerwinka und Scheichl weisen unabhängig
voneinander darauf hin , dass die politisch weit rechts stehenden Bünde das Außenbild
der deutschnationalen Korporationen Österreichs prägen würden – nicht ( nur ) auf-
grund selektiver Rezeption durch die kritische Öffentlichkeit , die bevorzugt skanda-
lisierungsfähigen Ereignissen und Aussagen Nachrichtenwert zuerkennt , sondern vor
allem weil die Rechtsaußen-Bünde sich aktiver zeigten und sich häufiger und lauter
äußerten.319 Auch die „ideologische Tyrannei“, die einzelne Meinungsführer Scheichl
zufolge jedenfalls phasenweise über das völkische Verbindungswesen ( bzw. sein orga-
nisatorisches und publizistisches Rückgrat in den Freiheitlichen Akademikerverbänden
und deren Aula ) ausgeübt hätten , trug unzweifelhaft dazu bei , die Wahrnehmung von
Meinungsheterogenität im völkischen Korporationswesen zu erschweren.320
317 Ein besonders plastisches Beispiel hierfür lieferten die Olympen am außerordentlichen DBÖ-Tag 1961 in
Nürnberg mit einem Misstrauensantrag gegen die DBÖ-Vorsitzende Cruxia , der u. a. damit begründet
wurde , dass diese in der Öffentlichkeit [ sic ] von innerburschenschaftlichen „Kontroversen“ gesprochen
hatte. Die Cruxen leisteten daraufhin Abbitte für diese Formulierung ( BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Proto-
koll des ao. DBÖ-Tages 1961 , 3 ).
318 Vgl. beispielhaft für die burschenschaftliche ‚Kritik der Korporationskritik‘ Hug 2004.
319 Interviews mit Frischenschlager vom 11. 12. 2009 , mit Cerwinka vom 1. 7. 2011 und mit Scheichl vom
8. 6. 2012.
320 E-Mail Sigurd Scheichls vom 11. 2. 2012 ( vgl. Abschnitt II.5.5 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619