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III.5 Wandel und Beharrung
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„( D )amit es von anderen Völkern nicht heißt , das was wir durch zwei Kriege nicht er-
reicht hätten , erreichen wir nun auf kaltem Wege , nur unter anderer Fahne.“375
Weder die pragmatische Ratifizierung der staatlichen Souveränität Österreichs noch
die strategische Orientierung auf Europa rührten an den Kernbeständen burschen-
schaftlicher Ideologie. Insbesondere blieb das Primat des völkischen Gedankens un-
angetastet , wie auch Stimmer andeutet :
Die kompromißlose Festhaltung [ sic ] an der Idee von Österreich als ‚deutschem Staat‘ mit
einer durch die enge kulturelle Verbindung mit der deutschen Gesamtnation zu erfüllenden
besonderen europäischen Vermittlerfunktion und die konsequente Negierung einer eigenen
österreichischen Nation bildeten die nur um die Anschlußforderung bereinigten gemeinsa-
men politischen Leitideen aller sich nach 1945 wieder reaktivierenden nationalen Korpora-
tionen und Vereine.376
Die geringe Reichweite burschenschaftlicher Reformen in Österreich nach 1945 ver-
wundert nicht angesichts des teils offenkundigen Simulationscharakters der ihnen zu-
grunde liegenden ‚Selbstreflexion‘. Pars pro toto für die Vorstellung , die fundamentalis-
tische Kreise innerhalb der Burschenschaften sich von selbstkritischer Einkehr machten ,
sei der Oberösterreicher Fred Duswald ( Danubia München ) zitiert :
Es ist nichts dagegen einzuwenden , wenn am Neubeginn burschenschaftlichen Wirkens die
vorhandene geistige Substanz unserer studentischen Bewegung gründlich überprüft wird. Das
burschenschaftliche Gedankengut ist jedoch von zeitloser Gültigkeit und muß daher unan-
getastet bleiben.377
Kategorischen Bewahrern wie Duswald standen Kräfte gegenüber , die einen teils auch
ideologischen Neuanfang durchaus befürworteten. Diese argwöhnten – wie die Ge-
schichte zeigen sollte , nicht zu Unrecht – dass ein Eintritt der Österreicher in ihren
Dachverband den dort begonnenen Reformprozess zunichtemachen würde. Während
die DB sich nach 1945 „sehr kritisch mit ihrer und der deutschen jüngsten Vergangenheit
auseinandergesetzt“ habe , hätten die Burschenschaften in Österreich „im wesentlichen
die Gedanken der Vorkriegszeit als dogmatische Leitsetzung übernommen“, schrieben
die Bonner Alemannen Wolfdieter Küttner und Dietmar Poetter 1960. Die „dogmati-
375 Germanenmitteilungen , Februar 1964 , 6 bzw. 7.
376 Stimmer 1997 ( Band II ), 1000. Neben dem Deutschnationalismus hätten die völkischen Verbindungen
auch einen – wenn auch „nicht mehr programmatisch artikulierten“ – Antisemitismus , das Prinzip der
unbedingten Satisfaktion und die Mensur beibehalten ( ebd., 1001 ).
377 BAK , DB 9 , C. IV.2 [ A1 ], VaB-Mitteilungen Nr. 28 / 1961 ( Vorort Bremen ), 6. Vgl. ähnlich Günther
Berka in den Burschenschaftlichen Blättern Nr. 1 / 1957 , 10 oder PBW , Berka 1964 , 3 f.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619