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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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dass diese von manchen – dem Antrag zufolge sogar von „viele( n ) verantwortungsbe-
wußte( n ) Burschenschafter( n )“
– nicht gutgeheißen wurde.387 Darauf deutet auch der
Umstand hin , dass der Antrag ( dem Protokoll des DBÖ-Tages nach zu schließen ) kei-
nen inhaltlichen Widerspruch hervorrief und jedenfalls in Teilen auch Unterstützung
fand.388 Einstimmig ( ! ) beschlossen wurde schließlich ein von den Obergermanen ge-
meinsam mit Marcho Teutonia und Carniola Graz eingebrachter Alternativantrag , wo-
nach über das folgende Studienjahr auf lokaler Ebene erörtert werden sollte , „ob und
inwieweit burschenschaftliches Gedankengut überprüft und gegebenenfalls geändert
werden soll“. Die Ergebnisse dieser Debatten sollten schließlich vor dem DBÖ-Tag
1964 auf Verbandsebene zusammengeführt werden.389
Dies geschah auch tatsächlich : Am 30. April 1964 trafen die Delegierten der DBÖ-
Bünde zur Reform-Arbeitstagung im Salzburger Sternbräu zusammen. Doch schon
die Gliederung der zu behandelnden Materien durch den Verhandlungsleiter machte
klar , dass keine Revolution auf der Tagesordnung stand : „unbedingte Genugtuung“,
„Schlägerfechten“, „Hochschulpolitik“ und „Sonstiges“ lauteten die Themenbereiche.
Pro blemstellungen wie das Verhältnis der Burschenschaften zum Nationalsozialismus ,
die Aktualität bzw. Aktualisierung völkischen Denkens , die Positionierung der Bur-
schenschaften zu politischen Parteien oder sonstige im engeren Sinn politisch-ideo-
logische Fragen wurden somit gar nicht erst angegangen. Die ersten beiden Tagesord-
nungspunkte wurden praktisch ohne Debatte abgehandelt , da die Grazer , Innsbrucker
und Leobner Burschenschaften gleich vorweg geschlossen jeden Änderungsbedarf in
diesen Bereichen verneinten.390 Einziges greifbares Ergebnis blieben Willenserklärun-
gen zur Verstärkung der burschenschaftlichen Mitarbeit im RFS. Programmatische Dis-
kussionen wurden ( auch unter „Sonstiges“ ) nicht geführt , die Frage , wie Bedeutung
und Ansehen von Burschenschaften im öffentlichen Leben erhöht werden könnten ,
exklusiv unter dem Gesichtspunkt verbesserter Öffentlichkeitsarbeit abgehandelt.391
In anderen Worten : es blieb – jedenfalls auf weltanschaulicher Ebene – alles beim
Alten. Auch in den Quellen hinterließ die Tagung keine großen Spuren. Selbst ihre In-
itiatoren erwähnen sie in ihrer Chronik nur kurz , die Aula sparte sie aus ihrem Bericht
über den unmittelbar anschließend abgehaltenen DBÖ-Tag gänzlich aus.392 Jenseits
387 Ebd.
388 Vgl. zur Diskussion BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Niederschrift des DBÖ-Tages 1963 , 6–8.
389 Ebd., 7 f. ( Zitat : 8 ).
390 AAG , Korrespondenzen DBÖ , Rundschreiben und Protokolle , Protokoll der Salzburger Arbeitstagung
vom 30. 4. 1964 , 1. Lediglich bei der Wiener Vorbereitungssitzung , auf der persönliche Meinungen ver-
treten werden durften , waren unterschiedliche Ansichten geäußert worden , wobei die Reformbefür-
worter offenbar in der Minderheit geblieben waren ( vgl. ebd., 1 f. ).
391 Ebd., 3 f. ; vgl. auch AAG , Korrespondenzen , DBÖ , Rundschreiben und Protokolle , Protokoll des
DBÖ-Tages 1964 , 5.
392 Vgl. Oberösterreicher Germanen 1967 , 154 f. bzw. Aula Nr. 9 / 1964 [ Juni ], 24 f.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619