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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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1966 erreichte der Ehrenordnungsstreit einen vorläufigen Höhepunkt : Am DBÖ-
Tag erklärten die Obergermanen , die die Debatte jahrelang forciert hatten , als erster
Bund offiziell ihre Ablehnung der unbedingten Satisfaktion und ( nach einem postwen-
dend folgenden , aber gescheiterten Ausschlussantrag gegen sie ) ihren Austritt aus der
DBÖ.413 Auch von außerhalb drängten sie weiterhin auf eine Reform und fanden dafür
bei einigen Wiener Bünden
– Alania , Gothia , Markomannia und Moldavia
– Diskus-
sionsbereitschaft vor , während auch DBÖ-intern ein Ausschuss zur Überarbeitung der
Ehrenordnung eingesetzt wurde.414 1967 wurde den Oberösterreichern nach deren eigener
Darstellung zum 100. Stiftungsfest von Seiten mehrerer Bünde „Dank dafür zum Aus-
druck ( gebracht ), dass die B ! Oberösterreicher Germanen bahnbrechend für alle den
Weg mutiger Reformen beschritten habe“.415 In den folgenden Jahren nahmen einige
weitere Burschenschaften Abstand von der unbedingten Satisfaktion.416 Wie sehr zu-
mindest in dieser Frage die Dinge in Bewegung geraten waren , illustriert der Umstand ,
dass 1968 sogar ein klar rechtsextremer Chronist wie Mühlwerth die bisher geübte Sa-
tisfaktionspraxis für überdenkenswert erklärte
– wenn auch gestützt auf Adolf Hitler.417
Dessen ungeachtet erfuhren die Abtrünnigen Ausgrenzung.418 Obwohl sie versuchten ,
das Thema präsent zu halten ( etwa über zwei von Cruxia Leoben organisierte inner-
burschenschaftliche Diskussionsrunden 1974419 ), blieb für die deutliche Mehrheit der
österreichischen Bünde „das traditionelle korporative Prinzip“
– und mit ihm die ‚Eh-
renreinigung‘ durch Waffengang
– „unangefochten“.420 In den 1980er-Jahren brach ein
neuerlicher , unter Korporierten als ‚Busson-Streit‘ geläufiger Konflikt um die Ehren-
Sigurd Scheichl bezeichnete dabei die unbedingte Satisfaktion als „mit Verstandsargumenten nicht zu
verteidigen“; ihre Aufgabe sei allenfalls noch „auf einige Jahre zu bremsen“, nicht aber mehr zu verhin-
dern ( ebd., 11 ) – eine Einschätzung , mit der Scheichl irren sollte.
413 Vgl. Oberösterreicher Germanen 1967 , 164 f. und die Germanenmitteilungen vom Juli 1966 , 5.
414 Vgl. Oberösterreicher Germanen 1967 , 158 f. bzw. die Germanenmitteilungen , März 1967 , 20 f.
415 Oberösterreicher Germanen 1994 , 13.
416 Marcho Teutonia Anfang der 1970er-Jahre , Gothia 1971 ( vgl. Oberösterreicher Germanen 1994 , 25 f. sowie
zu Gothia auch Krause 2007 , 237 ). Alania erklärte 1972 , sich fortan der Ehrenordnung der DB zu un-
terwerfen , die eine Austragung von Ehrenhändeln mit Waffe kategorisch ausschloss ( vgl. Kuhn 2002 ,
136 ). Cruxia folgte spätestens 1974 ( vgl. Oberösterreicher Germanen 1994 , 38 ). Scheichl erwähnt 1978
außerdem Carniola Graz ( PBW , internes Rundschreiben des Altherrenverbandes der Germania Inns-
bruck vom 25. 5. 1978 , 7 ).
417 Vgl. Teutonia 1968 , 111 f.
418 Cerwinka erwähnt im Interview vom 1. 7. 2011 eine Isolation der Grazer Marchen infolge ihrer Abkehr
vom Prinzip der unbedingten Satisfaktion. Auch die Leobner Cruxen hätten bei Aufgabe der DBÖ-Eh-
renordnung „sofort den Kontakt zu anderen Bünden verloren , wie dies auch bei uns der Fall gewesen
war“ ( Oberösterreicher Germanen 1994 , 39 ).
419 Vgl. Oberösterreicher Germanen 1994 , 38 f.
420 PBW , internes Rundschreiben des Altherrenverbandes der Germania Innsbruck vom 25. 5. 1978 , 7.
Der Konservatismus in Fechtfragen galt für die Pflichtmensur umso mehr , die – einer Aussage des
Obergermanen Peter Karlsreiter von 1975 zufolge – in Österreich von keinem einzigen Bund infrage
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619