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III.5 Wandel und Beharrung
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in der Zeit“, das die DBÖ just im Mai 1968 im Südkärntner Bleiburg/Pliberk abhielt ,
bezeugte
– folgt man dem Aula-Bericht Erich Reiters ( damals Cheruskia Graz )
– , dass
‚der‘ Burschenschafter „durchaus bereit ist , sich mit den Proble men seiner Zeit ausei-
nanderzusetzen“.444
Selbst auf seinem Höhepunkt blieb der Modernisierungseifer in RFS und Burschen-
schaften jedoch ambivalent , wie die zur selben Zeit im Ring aufzufindenden Plädo-
yers gegen Fortschrittlichkeit als Gehen mit der Mode bzw. gegen verbreitete „Pro-
gressivitätsdudelei“ bezeugen.445 Insbesondere die „christliche fortschrittliche Jugend“
wurde dafür kritisiert , „den Modernen , den Fortschrittlichen nach( zurennen )“, wie es
der Alane Gerhard Egger formulierte.446 In burschenschaftlichen Quellen im engeren
Sinn wird in milieuuntypisch nostalgiefreier Weise die ideologische Abtrünnigkeit der
„fortschrittlichen bundesdeutschen Bünde“ um das „berüchtigte 68er Jahr“ erinnert.447
Wie schon historisch der Widerstreit liberaler und nationaler Traditionslinien im Bur-
schenschaftswesen in Österreich um 1880 einseitig zugunsten der Letzteren entschieden
wurde , gewann ab Mitte der 1970er-Jahre die harte völkische Strömung wieder Ober-
wasser , wie sich an der Re-Okkupierung des RFS durch selbige ( vgl. Kapitel IV.1.3 )
ersehen lässt. Auf rein burschenschaftlicher Ebene verkündete die BG unter dem Ein-
druck der bis in die DB vorgedrungenen Reformstimmung 1976 ultimativ , dass eine
Infragestellung burschenschaftlicher Grundsätze ( bzw. ihrer Auslegung durch die BG )
nicht akzeptabel sei.448
Als ein vorerst letztes Aufbäumen reformorientierter Kräfte lässt sich eine Initiative
deuten , die Friedhelm Frischenschlager zufolge um 1980 ergriffen wurde. Der zuvor er-
wähnte Erich Reiter , zwischenzeitlich Klubsekretär der FPÖ im Wiener Landtag , habe
damals
– noch Mitglied der Cherusken
– versucht , moderate Exponenten „aus den ver-
schiedensten Bünden“ in einer Art „Reformzirkel“ zu sammeln. Der Versuch sei , wie
auch frühere Anläufe ähnlicher Stoßrichtung , gescheitert. Als maßgeblichen Grund
führt Frischenschlager an , dass das Verbindungsleben gerade für den überwiegenden
Teil der politisch gemäßigten Korporierten individuell so geringe Bedeutung habe , dass
es ihnen an Bereitschaft fehle , sich dafür zu engagieren – sei es auch im Sinne seiner
Reform. Jene , die ihre Korporationszugehörigkeit besonders ernst nähmen , sich mehr
im Bund engagierten und die Strukturen aufrechterhielten , seien „die politisch Radi-
in den Hintergrund treten sollten“. Anders als etwa bei Scheichl soll Reflexion hier das völkische Prin-
zip nicht mit einschließen , sondern vielmehr in dessen Dienst gestellt werden.
444 Aula Nr. 6 / 1968 , Akademisches Leben , I.
445 Der Ring Nr. 1 / 1971 , 11. Vgl. auch Der Ring 1968 , ohne Nr., 1 oder Nr. 11 / 1970 [ Ausgabe für die Techni-
sche Hochschule Wien ], 2.
446 Der Ring Nr. 2 / 1967 , 2.
447 Brixia 2001 , 47.
448 Vgl. AVSt , Burschenschaftliche Gemeinschaft 1976 , 6.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619