Seite - 243 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

III.5 Wandel und Beharrung 243 ren auch ohne formales Stimmrecht ausgeübt werden , wie unter Verweis auf das öko- nomische Abhängigkeitsverhältnis der Aktiven bereits argumentiert wurde. Ein Mittel dazu bestand in der mehr oder weniger subtilen Vermittlung von Erwartungshaltun- gen , nicht zuletzt im Kontext des Gedenkens an verstorbene Bundesbrüder. Im vor- angegangenen Abschnitt wurde als Beispiel hierfür die Ermahnung des Nachwuchses zur Bewahrung des vermeintlichen Erbes der Toten erwähnt.474 Bei den Wiener Liber- ten wiederum war es  – ihrer Chronik von 1967 nach zu schließen  – gängige Altherren- praxis , den behauptetermaßen autonomen Burschenconvent zu bestimmten Beschlüs- sen zu „veranlass( en )“.475 Auch eine überdurchschnittliche Bereitschaft zur aktiven Beteiligung am verbin- dungsinternen Tagesgeschehen ermöglichte die ( informelle ) Mitwirkung an der bund- internen Entscheidungsfindung. So resümierte ein bundesdeutscher Gast der Wiener Gothen am Ende seines Wien-Aufenthaltes , dass in Österreich manche Alten Herren „im Grunde als Inaktive bezeichne( t )“ werden könnten , „weil sie immer bereit sind , am Bundesleben teilzunehmen“.476 Ein herausragendes Exemplar dieses Typus stellte Norbert Burger dar. Dieser verblieb Wintersberger zufolge noch Jahre nach seinem Studienabschluss und Einstieg ins Berufsleben im Inaktiven-Status  – anstatt , wie üb- lich , in den Altherrenstand überzuwechseln  – , um weiterhin dem Bundgeschehen sei- nen Stempel aufprägen zu können.477 Von Aktivenseite wurde die Involvierung der Al- ten Herren offensichtlich mitunter nicht nur toleriert , sondern explizit eingefordert : 474 Als weiteres Beispiel kann die Chronik der Olympia von 1996 herangezogen werden , die eine Abbildung der Chargierten von 1959 „mit Ritterkreuzträger AH Robert Colli“ enthält ( Olympia 1996 , 52 ). Der ver- sehrte Ritterkreuzträger soll den Jungen  – hier repräsentiert durch die von ihnen gewählten Amtsträ- ger  – ein Beispiel konsequenten , also das eigene Wohl hinter das vermeintliche Wohl des Vaterlandes zu- rückstellenden burschenschaftlichen Handelns vor Augen führen. Die Chargierten auf dem Bild stehen für die dauerhafte Würdigung dieser Konsequenz und für das Bekenntnis , zur Nachfolge Collis bereit zu sein. Unterstrichen wird die Inszenierung Collis als Vorbild durch den Umstand , dass Olympia ihm ( wie auch ihrem anderen Ritterkreuzträger , Hans Trojer ) noch Mitte der 1990er-Jahre auch eine Couleurkarte widmete , die eins zu eins und unkommentiert eine hymnische Darstellung seiner Kriegstaten aus der NS- Presse wiedergab. In gedenkpolitischer Hinsicht hatte man bei den Olympen offenbar auch noch nach Jahr- zehnten keine Distanz zur NS-Propaganda gewonnen ( vgl. Jess 2011 , Olympia B [ DB ] 6–159 CK oJ 12 und oJ 10 zu Colli bzw. oJ 04 zu Trojer ; der Couleurkarten-Sammler und ÖCVer Michael Polgar datiert die Karten auf „um 1995“, zwei sogenannte ‚Biermarken‘ Olympias mit Colli und Trojer auf 1998  – vgl. die Suchfunktion auf http://couleurkarte.org/datenbank/Austria/Austria.html , letzter Zugriff : 15. 8. 2011 ; zur Verehrung der beiden Ritterkreuzträger in Olympen-Kreisen vgl. auch den Bericht über einen Burschen- schaftlichen Abend mit dem Nazi-‚Helden‘ Hans-Ulrich Rudel in Anwesenheit des Olympen und dama- ligen FPÖ-Wehrsprechers Helmuth Josseck in der Aula Nr. 12 / 1980 , Akademisches Leben , IV ). 475 Libertas 1967 , 59. Auf das autoritäre Herbeizwingen erwünschter Verhaltensweisen als weitere Alt herren- Option ist bereits in Abschnitt III.4.2 hingewiesen worden. 476 Gothia 1992 , 6. 477 Interview vom 4. 1. 2012. In der Tat scheint Burger noch 1959  – damals ein 30-jähriger , drei Jahre zuvor promovierter Universitätsbediensteter  – in einer Olympen-Festschrift als Inaktiver auf ( vgl. Olympia