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III.5 Wandel und Beharrung
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del und Modernisierung ) porträtierte , würde daher der burschenschaftlichen Realität
nicht gerecht. Der Tendenz nach sei der Einfluss der Alten Herren jedoch durchaus als
„eher konservativ“ einzustufen.481
Diese Darstellung lässt sich mit den unter III.5.3 f. wiedergegebenen Reformdebatten
ebenso in Deckung bringen wie mit den in III.4.2 behandelten Generationenkonflikten
oder den Auseinandersetzungen um das nationalsozialistische Erbe der Burschenschaf-
ten aus Kapitel II.5.5. Als die Liberten 1952/53 ( u. a. ) um die Bestimmungs( pflicht )mensur
stritten und dabei „Tradition“ dem „dem Suchen neuer Wege“ gegenüberstand , verliefen
die Fronten weitgehend zwischen Alt und Jung
– doch fanden die Aktiven auch die Un-
terstützung einiger Alter Herren.482 1960 wiederum verabschiedete die Vereinigung alter
Burschenschafter Oberösterreich eine Resolution , die aus völkisch-traditionalistischer Per-
spektive scharfe Kritik an der DB und den Plänen zur Eingliederung der österreichischen
Bünde in diese anmeldete. Das Papier war nach Angaben des mutmaßlichen Hauptini-
tiators ( Robert Zimmermann , Silesia ) als Altherreninitiative verfasst worden , da die ak-
tiven Bünde der Beteiligten dafür nicht zu gewinnen gewesen waren.483 Auch im Zuge
der interbündischen Diskussionen der 1960er-Jahre um die unbedingte Satisfaktion no-
tierten die reformbereiten Oberösterreicher Germanen Zuspruch bei den Aktiven einiger
Bünde , die sich allerdings „oft im Gegensatz zu ihren Alten Herren“ befunden hätten.
Über seine Aktivzeit in den 1970er-Jahren berichtet der Oberösterreicher Erwin Mayr da-
mit übereinstimmend von reformbereiten Aktivitates in anderen Burschenschaften , die
„gegenüber ihrer Altherrenschaft Unterstützung benötigt hätten“.484
Auch in den von Reformeifer getragenen Reden Sigurd Scheichls wird die Bedeu-
tung des burschenschaftlichen Generationenverhältnisses in Fragen von Kontinuität
und Wandel explizit thematisiert. 1962 formulierte Scheichl als Aktivensprecher seiner
Germania Innsbruck den Anspruch der Jungen , mehr als „lebende Leichname in den
überkommenen Formen und Denkweisen unserer Alten Herren“ zu sein und den Bund
zeitgemäß – aber im Einklang mit seiner Tradition , über welche die Alten Herren zu
wachen hätten
– weiterzuentwickeln.485 Gab er dabei noch den Eindruck wieder , dass
die Alten dieses Ansinnen auch goutierten486 , vertrat er vier Jahre später am Tag der
481 Interview vom 1. 7. 2011.
482 Libertas 1967 , 33 f. Vgl. für ein ähnliches Beispiel auch die Germanenmitteilungen vom März 1967 , 20 f.
483 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Protokoll der gemeinsamen Sitzung von DBÖ- und Altherrentag 1960 ,
12 f.
484 Oberösterreicher Germanen 1967 , 160 bzw. Brief Mayrs an Tulzer vom Frühjahr 1989 , zit. in Ober-
österreicher Germanen 1994 , 72. Auch an anderer Stelle wird erwähnt , dass der Reformkurs der Ober-
germanen diesen „vor allem bei jüngeren Verbandsbrüdern Sympathien gebracht“ habe ( Oberösterrei-
cher Germanen 1967 , 169 ).
485 Vgl. den Text von Scheichls Rede zum 70. Stiftungsfest ( PBW , Beilage zum Schreiben Scheichls an
seine Bundesbrüder vom 25. 6. 1962 , 1 [ Zitat ] und 11 ).
486 Vgl. ebd., 11.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619