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III.5 Wandel und Beharrung
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legende Reformbeschlüsse erforderlichen Quoren waren Aktivitates gut beraten , ihre
Altherrenschaften für Änderungswünsche ins Boot zu holen. Reformimpulse , die von
Altherrenseite ausgingen , waren dagegen selten und weitgehend auf die Phase der
Wiedererrichtung beschränkt.493
Wenngleich konservativ im Fall der Burschenschaften in Österreich ( und im Sinne
der einleitend erläuterten Begriffsverwendung ) das Festhalten an gemeinhin als ( weit )
rechts eingestuften politisch-ideologischen Positionen bedeutet , ist festzuhalten , dass
konservative und extremistische Kräfte sich im Untersuchungszeitraum zwar über-
schnitten , nicht aber deckungsgleich waren. So merkt Frischenschlager an , dass die jün-
geren Verbindungsmitglieder in seiner Beobachtung üblicherweise „radikaler“, da noch
nicht dem mäßigenden Einfluss des Berufslebens ausgesetzt gewesen seien ( vgl. dazu
auch die Ausführungen zur ‚Philisterei‘ in Abschnitt III.2 ).494 Stimmer erwähnt sei-
nerseits extremistische Betätigung als möglichen Ausdruck eines „vor allem innerhalb
der Aktivitas“ anzutreffenden „radikal wertorientierten Elitenbewußtseins“.495 Diese
Einschätzungen widersprechen nicht der Einstufung der älteren Generation als im
Durchschnitt konservativer , sondern unterstreichen lediglich , dass ein auch nur ten-
denzielles Monopol der Alten Herren auf ideologisch ‚harte‘ Positionen nicht nach-
weisbar ist. Bei den Jungen waren diese allerdings in der ‚konservativen‘ Form eines
klassischen Neonazismus ebenso anzutreffen wie in der modernisierten Variante ‚neu-
rechten‘ Zuschnitts , für die ältere Burschenschafter sich seltener begeistern konnten.496
Das Phänomen der ‚Neuen Rechten‘ bezeugt die Möglichkeit einer Gleichzeitigkeit
von ( strategischer ) Dynamik und ( inhaltlichem ) Konservatismus im Sinne einer Neu-
orientierung an alten Werten.
Die nicht nur aufseiten der politischen Rechten feststellbare Tendenz von Jugend-
gruppen , eine ‚steilere‘ Version der Gesamtorganisation darzustellen , wird im Falle der
Burschenschaften durch den engen , von anderen sozialen Umgebungen tendenziell iso-
gen und entschuldigt sich sowohl ein- als auch ausleitend präventiv für etwaige unglückliche Formu-
lierungen und Irrtümer ( vgl. ebd., 5 und 7 f. ).
493 Vgl. etwa Günther Berkas in den Kapiteln II.3.1 und II.5.1 behandelten Vorstoß von 1951.
494 Interview vom 11. 12. 2009. Frischenschlager argumentiert diesen mäßigenden Einfluss einerseits unter
Verweis auf notwendige ( pragmatische ) Rücksichtnahmen , andererseits aber auch über das ( ideolo-
gisch ) vielfältigere Umfeld , welches der Beruf gegenüber der Korporation üblicherweise biete.
495 Stimmer 1997 ( Band II ), 1003.
496 Vgl. zu ‚neurechten‘ Tendenzen unter Burschenschaftern in Österreich Kapitel IV.2.6 f. Zu extremis-
tischen Neigungen junger Burschenschafter vgl. z. B. Perner/Zellhofer 1994 ; Stimmer 1997 ( Band II ),
1003 ; Gruppe AuA ! 2009 ; Peham 2012 , 5–7. Darstellungen wie die letztgenannte legen die Vermu-
tung nahe , dass junge Burschenschafter
– nicht zuletzt aufgrund ihrer meist geringeren Vertrautheit
mit den Regeln des sanktionsfrei öffentlich Sag- und Machbaren
– rechtsextreme Gesinnung häufi-
ger bzw. ungefilterter öffentlich zur Schau tragen als erfahrenere Gesinnungsgenossen in der Alther-
renschaft.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619