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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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lierenden Lebensverbund post-adoleszenter Männer in der Verbindung begünstigt. Es
handelt sich hierbei um ein Biotop , das hervorragende Bedingungen für die wechsel-
seitige Verstärkung in den Individuen vorhandener extremistischer Tendenzen bildet.
Die Alten Herren können solche Tendenzen über die zuvor beschriebenen Wege der
Einflussnahme fördern oder auch unterbinden. In den Quellen sind Beispiele für höchst
unterschiedliche Reaktionsweisen verbürgt : vom Ausschluss bei allzu offen neonazis-
tischer Betätigung ( wie im Fall des früheren Teutonen Franz Radl ) über stille Toleranz
bis hin zur demonstrativen Ermutigung ( wie im Fall der Verleihung eines Preises an
den Bund freier Jugend [ BfJ ] durch die Wiener Libertas um 2007/08 ).497
In Zusammenfassung dieses Unterkapitels ist der eingangs zitierten Einschätzung
Stimmers zuzustimmen. Tatsächlich war die Fähigkeit bzw. Bereitschaft der Burschen-
schaften in Österreich , nach 1945 die eigenen Überzeugungen einer grundlegenden Prü-
fung an Realität , an Kritik von inner- und außerhalb des Burschenschaftswesens oder
auch an der eigenen Vernunft auszusetzen , enden wollend : schon der Versuch galt als
Häresie und Ausdruck von ( Glaubens-)Schwäche. Trotz des beständigen Zustroms
neuer Mitglieder , trotz eines sich wandelnden gesellschaftlichen Umfeldes und trotz des
Eindringens aus diesem hervorgehender Erneuerungsimpulse bis in burschenschaftliche
Kreise blieben die österreichischen Bünde in Brauchtum und politisch-ideologischem
Profil so über den Zeitraum der Zweiten Republik hinweg in ihren Grundfesten uner-
schüttert. Widrige Ausgangsbedingungen – allen voran politische Marginalisierung –
bei der Wiedererrichtung in den 1950er-Jahren wurden mit Trotzhaltung und ideologi-
scher Einigelung quittiert. Nicht eine Neuaufstellung auf der Höhe der Zeit , sondern
das möglichst bruchlose Wiederanknüpfen an die 1938 ( mehr oder weniger ) abgerisse-
nen Traditionslinien wurde angestrebt. Statt als Innovatoren gefielen die Vertreter des
burschenschaftlichen Mainstreams sich in der Rolle der Konservatoren althergebrach-
ter , vermeintlich bewährter Ideale und Einrichtungen – in den Verbindungen , an den
Universitäten , auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Jedenfalls in diesem Sinne sind Bur-
schenschaften in Österreich als konservative Vereinigungen einzustufen498 – ebenso
wie in Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion , die in der Wahrung des Status quo
durch die Naturalisierung ( und somit Entpolitisierung ) sozialer Verhältnisse besteht.
497 Vgl. zu Radl Schiedel/Zellhofer 1995 , 48 , zu Libertas und dem BfJ vgl. http://www.doew.at/erkennen/
rechtsextremismus/neues-von-ganz-rechts/Archiv/februar2009/burschenschafterpreis-fuer-neonazi-
gruppe oder Peham 2012 , 7 , zum BfJ darüber hinaus das Dossier von Karl Öllinger ( 2009 ), damals grü-
ner Nationalratsabgeordneter.
498 Auch Einstufungen als reaktionär , als utopistisch oder beides zugleich ließen sich argumentieren : Ge-
sellschaftsmodell und politische Vorstellungen der Burschenschaften in Österreich sind durch die ge-
sellschaftliche Entwicklung in vielfacher Weise überholt ; gleichzeitig erstreben sie jedenfalls in Teilen
die vorgebliche Wiederherstellung eines Zustandes , der als solcher nie bestand und auch nicht beste-
hen kann : jenen des homogenen deutschen Nationalstaates.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619