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III.6 Selbstbild: Gegen-Elite
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Bekenntnis zum einen deutschen Volk und Lebensraum , zur einen deutschen Spra-
che und Kultur sowie zum „freie( n ) deutsche( n ) Österreich“ keine rechte Funktion
erkennen ließ529 ; die Oberösterreicher Germanen loben in ihrer Chronik von 1994 ihre
eigene „völlig unbekümmerte freie Meinungsäußerung“ und kritisieren den Mangel an
selbiger im Burschenschaftswesen insgesamt530 ; und Silesia führte noch 2012 auf ih-
rer Website an „burschenschaftlichen Wesensmerkmalen“ die folgenden an : „Bekennt-
nis zum Deutschtum in Österreich , Bekenntnis zur Ausübung der Pflichtmensur , Be-
kenntnis zum Ehrenbrauch“.531
Die geistige Dimension burschenschaftlicher Widerständigkeit532
Das oppositionelle Selbstverständnis der Burschenschaften nach 1945 war im Kern
ideologisch begründet. Ihre Ablehnung gleich mehrerer ideeller Eckpfeiler der Zwei-
ten Republik begünstigte jenen Ausschluss von politischen Machtpositionen und der
schwarz-roten Patronage , der wiederum ihre widerständige Selbstwahrnehmung maß-
geblich stärkte und
– aufgrund der burschenschaftlichen Verweigerungshaltung ge-
genüber Impulsen zur Selbstreflexion – zu ihrer ideologischen Verhärtung beitrug.
Man befand sich nicht nur in Opposition zum Proporzsystem , sondern auch zu je-
nem Grundkonsens , der zur Teilhabe an diesem System berechtigte : Österreich-Natio-
nalismus ( vgl. Kapitel IV.2.2 ), Antinazismus , Westorientierung bzw. US-freundliche
Haltung. Gärtner begründet das burschenschaftliche Missbehagen an der österreichi-
schen Nachkriegsgesellschaft darüber hinaus mit ( jeweils ihm zufolge ) verbreiteter Ge-
schichtsfälschung , einseitigen Schuldzuweisungen an das Deutsche Reich , der Verun-
glimpfung „( a )lle( r ) großen Persönlichkeiten unseres Volkes“ sowie des Kriegseinsatzes
zwischen 1939 und 1945 ( als „Kampf dafür , unserem Volk eine Stellung zu geben , die
seiner Leistung und Fähigkeit entspricht“ ), von Idealismus , „( w )ahre( m ) Soldatentum“
und burschenschaftlichen Werten wie Wehrhaftigkeit.533
529 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Anlage 1 zur Niederschrift des ADC-Tages 1959 ( Herv. entf. ). Der weitere Um-
gang mit dem Dokument ließ allerdings erkennen , dass in der Kommunikation der Burschenschaften
nach außen gelegentlich doch auch pragmatisch-taktische Erwägungen zum Tragen kamen ( vgl. BAK ,
DB 9 , E. 4 [ A2 ], Anlage 2 / 1 zum Protokoll des DBÖ-Tages 1960 , 2 f. ).
530 Vgl. Oberösterreicher Germanen 1994 , 157 bzw. 166.
531 http://www.silesia-wien.at/index.php/silesiageschichte.html ( Interpunktion ergänzt ).
532 Vgl. zu diesem Abschnitt auch die Kapitel IV.2.1 bis IV.2.3 sowie Jürgen Schwabs Aufsatz ‚Quo vadis , Bur-
schenschaft ?‘ in den Staatsbriefen Nr. 9–10 / 1996 , 18–21. Schwab attestiert den Burschenschaften eine Art
ganzheitlicher Oppositionshaltung , die auch in ihren Trachten , „Verhaltensformen und Riten“ zum Aus-
druck komme. Diese bildeten einen Kontrapunkt zur „kulturellen Nivellierung durch die herrschenden
Klassen“ und ließen „d( em ) Volk“ den oppositionellen Standpunkt sinnlich erfahrbar werden ( ebd., 19 ).
533 Alemannia 1962 , 24. Die Abwertung soldatischer Tugenden habe allerdings bereits nach dem Ersten Welt-
krieg eingesetzt
– „aber damals schlug man zurück“ ( ebd. ). Auch der Aldanen-Chronist notiert bereits für
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619