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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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desdünkel und Kastengeist“ an.551 Steht der Verzicht auf Selbstüberhebung in diesen
beiden Beispielen augenscheinlich im Dienste politischer Zwecke , wurde bisweilen
auch grundsätzlicher argumentiert : So sollten Werksstudenten bei den Liberten „be-
sonders achtungsvolle Rücksicht genießen“, „protzenhaftes Auftreten“ sei bei Andro-
hung des Ausschlusses zu unterlassen. Es sei „für national Gesinnte selbstverständlich ,
daß das Ansehen eines Menschen nie von der Höhe seines Einkommens abhängig sein
sollte“.552 Aldania berichtet gar , sie habe in der Zwischenkriegszeit „das elitäre Gehabe
mancher Studenten ( … ) zugunsten einer herzlichen Volksverbundenheit , die teilweise
schon sozialistische Züge annahm , zurückgestellt“.553 Tatsächlich beruhte das burschen-
schaftliche Elitenbewusstsein nicht vorrangig auf ökonomischem Kapital , sondern –
wie noch zu zeigen sein wird
– auf der ( in eigener Wahrnehmung ) überlegenen Moral
und Leistungsfähigkeit des Burschenschafters. Die Ablehnung von „Selbstgefälligkeit
und Überheblichkeit“ im persönlichen Verkehr im Bund oder mit „anderen Studen-
ten“ stand jedoch der Verfechtung von „Elitebildung“ als burschenschaftlicher Aufgabe
nicht entgegen , wie das Beispiel der Oberösterreicher Germanen zeigt.554
… zum Führungsanspruch
Der Umschlag von Elitenbewusstsein als Standesdünkel in Elitarismus als politische
Überzeugung findet dort statt , wo aus einem wie auch immer begründeten Eliten status
eine Legitimation abgeleitet wird , gesellschaftliche ( politische , ökonomische ) Füh-
rungsaufgaben zu übernehmen.555 Dies ist in Burschenschaften unzweifelhaft der Fall :
In Ableitung aus ihrem selbst gegebenen , grundsätzlichen gesellschaftlichen Gestal-
tungsauftrag ( vgl. Abschnitt III.1 ) beanspruchen sie Zugehörigkeit zur Funktionselite ,
leugnen dabei aber eigennützige Motive. Vielmehr wird der Umschlag von Elitenbe-
wusstsein in Führungsanspruch über eine Art aristokratisches ( und somit paternalisti-
sches ) Selbstverständnis argumentiert : Die Führungsaufgabe erscheint als Bürde , die
der Burschenschafter , ganz Diener seines Volkes , opferbereit auf sich nimmt , um Bur-
scheneid und Burschenehre Genüge zu tun. Für Waldemar Steiner bedeutete Burschen-
schaft im Kern seit jeher „Dienst an der Gemeinschaft , Dienst an dem sich selbst be-
551 Zit. im Schreiben der Bundespolizeidirektion Wien an den Rektor der Universität Wien vom 23. 1. 1952 ,
1 ( AUW , S 259.49 ).
552 Libertas 1967 , 94. Vgl. auch Teutonia 1968 , 141.
553 Aldania 1994 , 108.
554 Oberösterreicher Germanen 1967 , 162 bzw. 166. Vgl. zu Ersterem auch Oberösterreicher Germanen 1994 ,
106 , zu Letzterem ebd., 13. Vgl. weiters Waldemar Steiner : „Die Burschenschafter haben ( … ) eine Elite
zu bilden , keine Elite der Bevorrechteten , keine Elite der Herrenklasse oder Bevorzugten , sondern ein
Beispiel , das im Volk für das Volk wirkt“, eine Elite qua „Leistung“, „Wort“ und „Tat“ ( Steiner 1974 , 14 ).
555 Zur grundsätzlichen Notwendigkeit von Eliten aus burschenschaftlicher Sicht vgl. etwa Alemannia
1962 , 9 ; Hatzenbichler 1994 , 283 f. ; Schmidt 2000 , 53.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619