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III.6 Selbstbild: Gegen-Elite
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wussten deutschen Volke“.556 „Burschenschafter sein ist kein bequemes Leben , aber es
ist ein Leben , das im Sinne des volksbewußten , des deutschbewußten Denkens rich-
tig und daher notwendig ist.“557
Von der Perspektive des einzelnen Burschenschafters auf die Gesellschaft übertragen ,
sah Gärtner die Aufgabe der Burschenschaften 1962 in der „Schaffung einer Auslese
für unser Volk“, die den „Kampf der [ sic ] Vermassung“ zu führen habe.558 Auch bei
den Innsbrucker Germanen würdigte ein Nachruf auf einen Alten Herren 1967 dessen
Verdienste um die „Heranbildung einer neuen Führungsschichte , die bereit ist , sich für
die Erhaltung der geistigen und biologischen Substanz unseres Volkes einzusetzen“.559
In diesen Formulierungen klingt bereits das Selbstverständnis einer Avantgarde an –
ein Status , den man , einmal mehr , unter Rückgriff auf die burschenschaftliche Histo-
rie reklamierte. Die frühe Burschenbewegung habe , so Wilhelm Figl ( Moldavia Wien )
am Olympia-Stiftungsfest 1974 , „die Idee der Freiheit hineingetragen in das Volk“, dann
aber , „um es bildlich zu sagen
– es dem Gesinde überlassen , nach dem Kampf die Wälle
zu besetzen und das Erreichte zu sichern“.560 Konfrontiert mit einer lethargischen und
manipulierten Masse hätten die Burschenschafter „weiter in vorderster Reihe zu ste-
hen“, um „gegen den Meinungsterror Dinge und Werte ins richtige Licht zu rücken
und Mahner in unbequemen Dingen zu sein“.561
Der deutsche Burschenschafter in Österreich erfüllte getreu seinem Prinzip der Wehrhaftig-
keit nicht nur in den Reihen des Volkes seine Pflicht , sondern so , wie es seiner Sendung ent-
spricht , als Vorkämpfer des Volkes hier und heute , wo es gilt , für die Erhaltung des Friedens
und für die Festigung der Freiheit sich zu rüsten.562
556 Steiner 1974 , 10.
557 Ebd., 14. Insofern nicht von einer spezifisch burschenschaftlichen Bürde , sondern von einer generell „Aka-
demikern“ auferlegten „besondere( n ) Verantwortung gegenüber der Gesellschaft“ die Rede ist ( http://
www.stiria-graz.at/index.php/wir-ueber-uns ), trifft der paternalistische Elitarismus der Burschenschaften
sich mit jenem ihrer katholischen Erzrivalen. Dass „( d )er Akademiker ( … ) nach wie vor die Verpflich-
tung“ – und nicht etwa das Privileg – habe , „Fährer [ sic ] und Leiter des Volkes zu sein“, entsprach auch
der Sicht der ÖCV-Verbindung Nordgau. Diese Pflicht gedachte man zu erfüllen , ob dies den zu Führen-
den nun passte oder nicht : Es gelte , die eigene Berufung in Führungsfunktionen „auch gegen alle jene“
durchzusetzen , „die noch immer glauben , ohne uns auskommen zu können“ ( AUW , S 259.106 , K. Ö. H. V.
Nordgau , Rede anlässlich der Kranzniederlegung der vom 18. 6. 1955 in der Aula der Universität Wien , 6 f. ).
558 Alemannia 1962 , 25. Vgl. auch Gärtners Umschreibung von Burschenschaft als „Bund völkischer Aus-
lese“ ( ebd., 26 ).
559 Germanenmitteilungen , März 1967 , 2.
560 Figl 1974 , 5 bzw. 6.
561 Ebd., 6.
562 Ebd., 8. Die militärische Rhetorik Figls hat einen professionellen Hintergrund : Er , der die Burschen-
schafter „als Vorkämpfer – als Offiziere des Volkes“ sah ( ebd. ), war selbst Offizier des österreichischen
Bundesheeres. 2008 und 2013 fungierte er als Redner der WKR-Trauerkundgebungen zum 8. Mai.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619