Seite - 266 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Bild der Seite - 266 -
Text der Seite - 266 -
III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
266
Der Glaube , dass ‚das Volk‘ burschenschaftlicher Anleitung bedürfe
– und dies bis hi-
nein in seine privatesten Entscheidungen – , hat sich bis in die heutige Zeit gehalten.
Als Gerhard Schlüsselberger 2009 unter Verweis auf nach seinem Dafürhalten uner-
freuliche demographische Prognosen seine Verbandsbrüder zur Zeugung völkisch ein-
wandfreier Nachkommen aufrief , argumentierte er dies auch damit , dass „wir unserem
elitären Anspruch mittels Führen durch Vorbild entsprechen“ müssten.563
Die Begründungslinien für den burschenschaftlichen Führungsanspruch ( und damit
auch die Quellen , aus denen das burschenschaftliche Elitenbewusstsein sich speiste )
waren vielfältig. Zum Ersten sah man sich , wie bereits erwähnt , schon als Akademiker
und somit Bildungselite zum Führen berufen , wie dies auch beim ÖCV der Fall war.
Zum Zweiten verwies man ( vgl. hierzu Abschnitt III.3 ) auf den erzieherischen Mehr-
wert der Korporation : darauf , anders als nichtkorporierte Studierende bzw. Hochschul-
absolventInnen eine „auch abseits des Zeitgeistes und jenseits von ‚political correct-
ness‘ “ angesiedelte , „gediegene Allgemeinbildung“ genossen564 sowie die Gelegenheit
erhalten zu haben , in der Verbindung „Verantwortung und Führungsaufgaben zu über-
nehmen“ und dabei „als Persönlichkeit zu reifen“.565 Ihre radikalste Ausformung erfuhr
diese Argumentation in den Bünden des Weißen Kreises in Österreich ( WKÖ ), die über
„ganz besonders und streng einzuhaltende Merkmale in ihrer Auffassung und Haltung“
und „strenge Korporationszucht“ versuchten , „den Führungsanspruch des Akademi-
kers zu rechtfertigen“ und sich gleichzeitig als eine Art Elite in der Elite von den an-
deren Bünden abzuheben.566
In einem engeren Sinn politischer Hinsicht beanspruchten die Burschenschaften
sich als standhafte Bewahrer historischer ‚Wahrheiten‘ und als entschiedene Fürspre-
cher ureigener ‚Volksinteressen‘ sowohl gegenüber einer vermeintlich teilnahmslosen
Masse als auch gegenüber den als Volksfeinden verfemten politischen Gegnern zu dis-
tinguieren : „Wir fühlen uns nicht nur denen überlegen , die der Vermassung und Ver-
ödung unseres Lebens verfallen sind , sondern auch denen , die die Österreicher durch
Lostrennung von der deutschen Geisteswelt ihres wertvollsten Besitztumes berauben
wollen.“567 Viertens sollte die Unterwerfung unter eine strenge Ehrenordnung ( mit der
Bereitschaft als Kern , zur ‚Reinhaltung‘ der Ehre die eigene physische Unversehrtheit
einzusetzen ) die besondere moralische Integrität der Burschenschaften verbürgen
– und
gegenüber jenen Normalbürgern hervorheben , die ihre Ehrenhaftigkeit bereits durch
563 Burschenschaftliche Blätter Nr. 3/2009 , 104. Vgl. zu Burschenschaften als Avantgarde weiters Teutonia 1968 ,
110 und Oberösterreicher Germanen 1994 , 176.
564 AVSt , DBÖ 1994 , 16.
565 Ebd., 8. Zur Persönlichkeitsbildung im Bund vgl. auch Oberösterreicher Germanen 1967 , 169.
566 Libertas 1967 , 180. Der letzte Teil des Zitats ist den WKÖ-Grundsätzen im O-Ton entnommen.
567 PBW , Berka 1964 , 18.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619