Seite - 267 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Bild der Seite - 267 -
Text der Seite - 267 -
III.6 Selbstbild: Gegen-Elite
267
das bürgerliche Recht hinreichend geschützt sahen.568 Zu guter Letzt wurde die Be-
hauptung der Korporationszugehörigkeit als Elitenausweis auch mit der ( zumindest be-
haupteten ) Selektivität der Verbindungen begründet , die nicht jeden Bewerber aufnäh-
men und gegebenenfalls auch zum Mittel des Ausschlusses griffen. Gerade das Prinzip
der Pflichtmensur sollte sicherstellen , dass dem Bund nur Männer angehören , die be-
reit wären , ihr eigenes Wohl im Sinne der Gemeinschaft ( unmittelbar des Bundes , im
übertragenen Sinn des ‚deutschen Volkes‘ ) aufs Spiel zu setzen.569
Sowohl die ‚unbedingte Satisfaktion mit Waffe‘ als auch die Mensur betonen die
Opferbereitschaft des Burschenschafters als Beleg seines ihn von der Masse abheben-
den Ethos und somit als Begründungsfaktor seines Führungsanspruches. Hierin wi-
derspiegelt sich die aus dem 19. Jahrhundert tradierte Ansicht ,
nur ein seine persönliche Ehre wahrender Student sei fähig , ‚in Zeiten politischer Not ge-
nügend Aufopferungsgeist für die Nation aufzubringen‘. Nur der in seiner Korporation zur
Wahrung seiner ‚Waffenehre‘ erzogene Student verbürgte danach , im kriegerischen Ernst-
fall dem Vaterland wirklich und uneingeschränkt zur Verfügung zu stehen. Aus dieser Hal-
tung und Bereitschaft resultierte aber auch der Anspruch auf künftige Einnahme von sozia-
len und gesellschaftlichen Führungspositionen.570
Die hohe Wertschätzung , die der Selbstaufopferung entgegengebracht wurde , und
deren Verknüpfung mit Elitendenken erklärt zu einem guten Teil die in burschen-
schaftlichen Quellen allgegenwärtige Tendenz zur Selbstviktimisierung : Wo Auf-
opferung als Ideal gilt , geht die Selbststilisierung zum Opfer mit psychischem Ge-
winn einher , steigert sie Ansehen und Selbstwertgefühl. Auch erlaubt sie es im Wege
der Täter-Opfer-Umkehr , eigene Aggression als Notwehr darzustellen. Diese Um-
kehr wird häufig in subjektiv durchaus aufrichtiger Weise vollzogen : Wer im Welt-
geschehen anti-deutsche Mächte am Werk glaubt , muss sich als deutsch-völkischer
Aktivist zwangsläufig von diesen verfolgt fühlen. Der konkrete Inhalt der Opfer-
leistungen musste im burschenschaftlichen Verständnis nach 1945 nicht zwangsläufig
die ultimative Form des Kriegstodes annehmen , sondern konnte etwa auch in der In-
kaufnahme beruflicher Nachteile und ökonomischer Härten durch offenes Bekennt-
nis zum Deutschtum bestehen.
568 Vgl. die Argumentation von Arminia Graz im Namen der DBÖ gegenüber der DB 1960 ( BAK , DB 9 ,
B. VI.15 [ B ], Arbeitsunterlagen zur Verbändetagung von DB und DBÖ 1960 , 8 ) sowie Mölzer 1980 , 84
( entspricht Mölzer 1994b , 148 ) und das Nachwort zu Busson 1997 ( o. S. ).
569 Vgl. zur Selektionsfunktion der Mensur AVSt , DBÖ 1994 , 15 ; allgemein zur Selektivität bei der Mit-
gliederauswahl vgl. Aldania 1994 , 159.
570 Harald Lönnecker in den Burschenschaftlichen Blättern Nr. 1/2008 , 37. Das Zitat im Zitat stammt von
den Leipziger Sängerschaftern Ludwig Fuhrmann und Walther Meyer.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619