Seite - 272 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 272 rer elitären Selbstwahrnehmung fest. Ausschluss und Marginalisierung beantworteten sie mit der Abwertung jener Institutionen , zu denen sie nun keinen ( privilegierten ) Zugang mehr hatten  – zuerst der politischen und administrativen , dann der universi- tären. In der Zusammenschau über die Unterabschnitte III.6.2 und III.6.3 erschließt sich dabei eine Wechselwirkung zwischen Oppositionshaltung und Elitenbewusstsein : Einerseits fungierte die Selbststilisierung zu standhaft-opferbereiten , isolierten Kämp- fern gegen die politisch-ideologische Anordnung der Zweiten Republik als Ausweis von Charakterfestigkeit und somit als argumentative Stütze von Führungsansprüchen ; auch ermöglichte sie es , die eigene Bedeutungslosigkeit exklusiv auf Ausgrenzung zu- rückzuführen und sie somit anderen anzulasten. Andererseits untermauerte die Selbst- wahrnehmung als Speerspitze des Deutschtums in Österreich die Oppositionshaltung sowohl realpolitisch als auch ideell. In Summe ergaben sich aus der Verquickung von oppositionellen und elitären Moti- ven die Identität und Mentalität einer mannhaften , fundamentalen Gegen-Elite , die die Führung in einem Gemeinwesen beanspruchte , dessen konkrete ideologische und poli- tische Ausgestaltung sie ablehnte ( und damit in gewisser Weise an ihre Haltung aus der Zwischenkriegszeit andockte588 ). Dieses scheinbare Paradoxon unterstreicht bereits , dass die Opposition ‚fundamental‘ tatsächlich nur dem Anspruch nach war. Unter der rheto- rischen Fassade der unversöhnlichen Gegnerschaft trat immer wieder offen der Wunsch nach Salonfähigkeit und Anerkennung durch die nach 1945 Herrschenden hervor , um die vom Ausschluss hervorgerufene Kränkung ( und möglicherweise auch subkutan lauernde Selbstzweifel ) zu heilen. Sichtbar wurde dieser Wunsch immer dann , wenn er Befriedi- gung erfuhr. Als etwa ÖVP-Unterrichtsminister Drimmel den Gothen zu ihrem 100. Stif- tungsfest 1961 schriftlich seine Aufwartung machte und dabei Worte der Bewunderung für seinen Amtsvorgänger ( und Gothen ) Heinrich von Srbik fand , berichteten sowohl die Aula als auch die Burschenschaftlichen Blätter unter ausgiebiger Zitation aus dem Schrei- ben darüber.589 Ebenso wurde mit den sporadisch einlangenden Antworten von Regie- rungsmitgliedern auf Eingaben des ADC bzw. der DBÖ verfahren ( vgl. Kapitel IV.1.1 ). Gegen die vorgebliche Radikalität der burschenschaftlichen Oppositionshaltung lässt sich zweitens auf die Resolutionspolitik der Bünde ( siehe ebendort ) und die Betätigung vieler Einzelmitglieder in der studentischen Selbstverwaltung ( über den RFS und nahe- 588 Stimmer spricht von den „deutschnationalen Korporationen“ als „radikale( )“ bzw. „revolutionäre Ge- genelite“ in der Ersten Republik bzw. im Rahmen der illegalen NS-Bewegung ( Stimmer 1997 , Band I , 509 bzw. Band II , 1085 ). Anders als damals befindet die überwiegende Mehrheit der heutigen Bur- schenschafter sich freilich nicht in grundsätzlicher Gegnerschaft zur parlamentarischen Demokratie. Nicht von ungefähr verdienten im ausgehenden 20. Jahrhundert nach Jürgen Schwabs Urteil nur ein- zelne Burschenschafter die Bezeichnung „national oppositionell“ bzw. „nationalelitär( )“ ( Staatsbriefe Nr. 9–10 / 1996,19 bzw. 20 ). 589 Vgl. die Burschenschaftlichen Blätter Nr. 8–9 / 1961 , 232 , die den Brief nach der Juli-Aula 1961 zitieren.